: Mendel und die Grundregeln der Demokratie
■ Das Institut für Erwachsenenbildung (ife) in Huchting: Anders Lernen und trotzdem Abitur
Es mendelt ordentlich auf der Tafel. Große Kreide-Rs kreuzen sich mit kleinen gs, große Gs treiben es über zwei Generationen mit kleinen rs. Am Ende kommt dann heraus, was Klosterbruder Mendel 1865 leichtfertig in die Welt posaunt hatte und seitdem Generationen von SchülerInnen quält: Die Wunderwelt der Vermehrung läuft nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ab.
Auch am Institut für Erwachsenenbildung (ife), einer selbstverwalteten Schule in Huchting, kommen SchülerInnen um den ollen Mendel nicht herum. „Spätestens ab Klasse 13 kommt hier der normale Schulstreß“, klagt Pia Röhl, Schülerin der 13. Klasse Bio. Freie Themen hin, Selbstverwaltung her: Das Abitur müssen die ife-KandidatInnen vor einer externen Prüfungskommission ablegen, und die testen nach den Kursleisten der Regelschule. Dort ist Mendel auch heute noch der Schlüssel zur Genetik.
Derzeit werden am ife 240 SchülerInnen in elf Klassen der Stufen 11 bis 13 auf das Abitur vorbereitet. So weit wie möglich geht es dabei basisdemokratisch zu. „Hier hast Du nicht diesen Streß, daß sich die Leute gegeneinander ausstechen, um gute Noten zu bekommen“, beschreibt Schüler Christian Gärtner (23) die Lernsituation. Die Themen werden zwischen SchülerInnen und LehrerInnen abgesprochen, Unterrichtseinheiten werden gemeinsam geplant, Schwerpunktthemen werden fächerübergreifend abgehandelt.
Zeugniszensuren lehnen LehrerInnen und SchülerInnen ab. Klassenarbeiten oder schriftliche Tests werden nur zur Leistungsorientierung der SchülerInnen angesetzt. Geltende Faustregel dabei: Je näher das Abi rückt, desto ernster geht es zu. Und: Je höher die Klasse, desto mehr gleicht sich der Stoff den Lehrplänen an.
Pro Monat kostet das Institut für Erwachsenenbildung 175 Mark Schulgeld für die SchülerInnen. „Das meiste geht für die Honorare drauf“. Alena Penon (36), ist eine von 30 Lehrkräften, die auf Honorarbasis zwischen vier und achtzehn Stunden am ife unterrichten. Nur eine halbe Stelle wird über feste Spenden finanziert.
Die Selbstverwaltung läuft im wesentlichen über die elf Ausschüsse des ife: Finanzausschuß, Sozialausschuß, Cafeteria-Ausschuß ... Ausschußmitglieder sind SchülerInnen und LehrerInnen mit je einer Stimme. Neben der organisatorischen Arbeit reißen die SchülerInnen auch noch 30 Wochenstunden Lehrplan ab. Unterrichtet wird zwischen 8.30 und 13.30, die Struktur läuft in Klassenverbänden, eine Differenzierung erfolgt schwerpunktmäßig mit der Wahl der Leistungskurse. Novum im ife: Jeder Jahrgang hat eine Frauenklasse.
Die SchülerInnen des ife sind hochmotiviert. „Auf einer normalen Schule hätte ich mich nie für das Abi angemeldet“. Alexander Klüver (23) spricht für viele. Wer am ife lernt, dem liegt auch an den Strukturen.
Die durchzusetzen, war schwer genug. Die ife-Idee ist jetzt zehn Jahre alt, bevor sie umgesetzt werden konnte, vergingen sechs mühsame Jahre der Anerkennung durch die verschiedenen Behörden. Seit 1986 können ife SchülerInnen sogar BAFOEG beantragen. Voraussetzung: Sie sind älter als 18, haben die Mittlere Reife und in den letzten zwei Jahren keine Ausbildung abgebrochen. mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen