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Hauptstadt der Baustellen

■ Diskussionsserie des »Potsdam Kolleg«: »Welche Hauptstadt braucht Berlin?«/ Teil 5

Werden Architekten gefragt: »Welche Hauptstadt braucht Berlin?«, so geschehen am vergangenen Freitag abend in der Galerie Aedes, kommt die Antwort: »Die Hauptstadt der Baustellen.« Möglichst bald, möglichst Tag und Nacht sollen die Betonmischmaschinen rumpeln zum Versprechen für qualitätvolle Architektur. Das ist verständlich. Das ist ihr Job. Damit verdienen sie ihr täglich Brot.

Unverständlich und schon gar nicht ihr Job ist es, Richtlinien für die Hauptstadt der Baustellen quasi im Durchmarsch, vorbei an uns allen, zu fordern, wie es Josef Paul Kleihues beinahe größenwahnsinnig in der vorletzten Gesprächsrunde des »Potsdam Kollegs« zum Thema meint. Ein »Masterplan«, so der Ex- IBA-Chef, könne für den »Zentralen Bereich« binnen sechs Wochen vorformuliert und für drei Monate zu einem beschränkten Wettbewerb ausgelobt werden. Nach der Vorentscheidung und weiteren drei Monaten könne dann losgelegt und die Regierungsstadt hochgezogen werden. Politische Vorgaben, etwa wie sie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorschlägt, sind für Kleihues ebenso unvorstellbar und hinderlich wie öffentliche Kontrolle und langsame Planungsschritte. Was die Metrolpole statt diesem »puren Idealismus« brauche, sei eine Führungsfigur, nämlich den »Senatsbaudirektor«. Dessen Funktion bestehe darin, so umreißt Kleihues den präsidialen Job, zwischen der »politischen Willensbildung und den ausführenden Organen zu vermitteln« und mit »einem eigenen kleinen Stab« hier und da in der Stadt, sozusagen als schnelle Eingreiftruppe, architektonisch zuzuschlagen.

Die Sehnsucht nach einem Senatsbaudirektor kommt nicht von ungefähr, scheint doch die Stadtplanung im Augenblick in einem Vakuum. Kurz vor der Wahl, ohne wirksames Regionalkonzept, bei wachsender Mobilität, mit einem in wesentlichen Punkten obsoleten Flächennutzungsplan und grundrechtlich oft unklaren Verhältnissen, sind die Planer auf der Suche nach einem Generalplan für die Hauptstadt. In der Hoffnung, alle Probleme auf einmal lösen zu können, sollen Megaarchitekturen (oder Figuren) als seelenlose Hüllen für variable Nutzungen entstehen, statt kleinteilige und differenzierte Gebäude für die unterschiedlichsten Lebensformen.

Der Architekt Hans Kollhoff sieht augenblicklich deshalb zu Recht ein »Verhinderungsklima« für Architekten in Berlin. Neue Kriterien der öffentlichen Kontrolle fehlten. »Kreativität« und »Leben« in der Planung finde derzeit nicht statt, kritisiert Kollhoff, obwohl sich gerade jetzt die Chance böte, Berlin wieder zum »Labor und zum Motor« für Großstadtarchitektur werden zu lassen. Natürlich müsse jetzt — siehe Kleihues — endlich etwas »umgesetzt« werden, findet Kollhoff. Nicht mehr »isolierte« Wohn-, Geschäfts- oder Regierungsbauten seien zu planen, sondern »komplexer Stadtbau« müsse betrieben werden, eine urbane Form also, die sich an den Herausforderungen für städtisches Leben und derer, die darin leben orientierte.

Wer könnte diese neue Form nun bauen und wie? Die Architektenschaft von Berlin, so Hanno Klein von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungslosen, jedenfalls kaum! Die neuen planerischen Aufgaben erforderten ein Know-how, das internationalen Maßstäben genügen müsse, die in Berlin wenig existierten. Dagegen schlage ihm der »provinzielle Mief« ortsansässiger Architekten aus allen »Nischen« entgegen, denen es obendrein noch an Liberalität mangele. Eine Offenheit für ausländische Architekturen sehe er hier zur Zeit nicht. Entwürfe ortsansässiger Kollegen für »Hauptstadtplanungen oder den grenznahen Raum«, spottete Klein, hätten dagegen »so wenig mit der Wirklichkeit zu tun«, wie sie es »schon in der Vergangenheit« zu tun hatten. Wer neue Wege gehen wolle, müsse auch neue Modelle zwischen Architekten, Bauherren und öffentlicher Hand ausprobieren — »public private partnerships« — so Klein. So seien Projekte zu entwickeln, bei denen auch zukünftige Lebenszusammenhänge mit einbezogen werden. Städtebauliche »Katastrophen«, wie die Berliner IBA, könnten jedenfalls kein Modell für eine zukünftige Regierungsstadt sein, rechnete Klein ab, die architektonischen Vorstellungen Rogers und anderer Stars von Superbüros statt dessen schon.

Nimmt man Kleins Argumenten die polemische Stoßrichtung, so bleibt ein gefährlicher Rest, den Hanno Klein, der Fürsprecher internationalistischer High-Tech-Schuppen und Mediaparks vielleicht nicht so sieht. Megalomane architektonische Sehnsüchte nach einem Metropolis schössen in den Himmel. Architektur verkäme zu raumgreifenden monumentalen wie aggressiven Skulpturen. Die Bewohner hätten ihre einstige Stadt längst verlassen müssen, in der jetzt Investoren herrschten. Der neue Typus »Regierungsstadt« wäre zur Kenntlichkeit gebaut. rola

Die letzte Sitzung, ursprünglich am 14. Dezember geplant, entfällt. Sie soll Mitte Januar '91 nachgeholt werden.

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