Geiseln jubeln: „Unser lieber Herr Brandt“

■ Fast alle deutschen Geiseln aus Irak und Kuwait sind zurück

Frankfurt/Main (taz) — Als gestern um 15.45 Uhr die Maschine der Iraqui-Airways mit der Flugnummer IA 3419 fast die Tore zur Ankunftshalle C 60 des Rhein- Main-Flughafens durchbrach, brach unter den rund dreihundert wartenden Angehörigen der letzten deutschen Geiseln des Diktators Saddam Hussein grenzenloser Jubel aus. In der von der Bundesregierung gecharterten Maschine saßen 104 freigelassene deutsche Geiseln — und eine britische Staatsbürgerin. Sieben deutsche Geiseln, die in Kuwait festgehalten wurden, hatten den von Bagdad aus gestarteten Jumbo in der grünen Farbe des Propheten gestern früh nicht mehr rechtzeitig erreicht. Sie sollen heute ausgeflogen werden.

Tränen der Wiedersehensfreude gab es dann in der Ankunftshalle, als die ersten Geiseln — fast ausnahmslos Monteure und Manager deutscher Firmen — die Gangway verließen. „Ganz Braunschweig grüßt unseren Michi!“ oder „Herzlich willkommen Meinhard“, stand auf den Transparenten der Angehörigen — und ganze Familien lagen sich minutenlang in den Armen. Als ein Sprecher der Flughafen AG Kanzleramtsminister Seiters ankündigte, gab es Buhrufe und Pfiffe. Willy Brandt wurde dagegen mit frenetischem Beifall begrüßt, denn „unser Herr Brandt“ habe dafür gesorgt, daß endlich alle deutschen Geiseln hätten ausreisen dürfen, meinte ein Sprecher der monatelang im Irak und in Kuwait festgehaltenen Geiseln.

Fünfzehn deutsche Staatsbürger sind übrigens freiwillig in Irak geblieben — eine „freie Entscheidung freier Bürger“ (Seiters). Von den zurückgekehrten Geiseln, die von Sicherheitsbeamten von der Presse abgeschirmt wurden, konnte gestern keiner mit Bestimmtheit sagen, ob die noch in Irak gebliebenen Deutschen mit irakischen Staatsangehörigen verheiratet sind, oder ob sie aus „geschäftlichen Gründen“ im Lande Saddams bleiben. Der Sprecher der Geiseln richtete abschließend einen Appell an die Abgeordneten des Europaparlaments: Solange nicht die letzten 2.000 bis 3.000 Geiseln aller Nationen frei seien, könne man sich nicht richtig über die Freilassung der Deutschen freuen. Das Europaparlament müsse jetzt tätig werden — für die Friedenssicherung im Nahen Osten und für die Geiseln. Klaus-Peter Klingelschmitt