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Cowboykotteure sprachen mit Philip Morris

■ Die Aids-Aktionsgruppen ACT UP nahmen Kontakt mit dem Zigarettenkonzern Philip Morris auf, dessen Glimmstengel sie boykottieren/ Philip Morris unterstützt schwulenhasserischen US-Senator/ Schwulengruppen Schweigegeld angeboten

Berlin. Armer Marlboro-Mann. Millionen von Schwulen strafen ihn derzeit mit Liebesentzug, indem sie seinen Glimmstengel nicht mehr anrühren. Die Aids-Aktionsgruppen ACT UP rufen seit April weltweit zum Boykott der meistverkauften Zigarette auf, damit deren Hersteller, der Multikonzern Philip Morris, seine finanzielle Unterstützung für den republikanischen US-Senator Jesse Helms (North Carolina) einstellt. Der 69jährige Südstaatler Helms, seit 1973 im Senat und erst im November gegen den schwarzen Demokraten Harvey Gannt mit 53 Prozent überlegen, erweist sich seit Jahrzehnten als einer der einflußreichsten Schwulenhasser in den USA (siehe taz vom 19.7.90).

Für Helms sind Schwule »disgusting people« (ekelhafte Menschen). Ein von Helms 1987 eingebrachter Verfassungszusatz verbietet die staatliche Finanzierung von Aids- Aufklärungsmaßnahmen, wenn diese Schwulsein als gleichberechtigten Lebensstil darstellen. Auch vorgeschriebene Aids-Tests für Immigranten und eine Kampagne gegen »die Verherrlichung obszöner Lebensstile in der Kunst« gehen auf das Konto des Abtreibungsgegners und Contra-Freundes Jesse Helms.

Mittlerweile sorgt sich Philip Morris (Umsatz: 45 Mrd. Dollar) um sein Produktimage. Nicht ohne Grund: Die Fluppe mit dem Macho- Touch ist inzwischen aus den Automaten vieler schwuler Szeneläden verbannt. Eine Verringerung des Marktanteils um nur ein Prozent würde allein in den USA eine Umsatzeinbuße von einer Viertelmilliarde Dollar bedeuten. Zudem ist die ursprünglich rein schwule Protestwelle inzwischen auch in die Kunstszene hineingeschwappt. Dort konnte sich Philip Morris bis vor kurzem noch durch vielfältige Sponsoraktivitäten Lorbeeren verdienen. Das Hamburger »Schmidt-Theater« kündigte seinen Sponsor-Vertrag, das Kölner »Theater am Tor« stieg ebenso aus, und in Frankfurt brach die »Filmschau« laufende Verhandlungen mit dem Münchner Tabakkonzern ab.

Doch nicht genug: In Köln startete die Konkurrenzmarke »Lucky Strike« vor kurzem eine neue Werbekampagne. Blickfang auf den Reklametafeln: schöne Männer, sonst nichts. Kein Wunder also, daß Philip Morris Kontakt zu den schwulen Boykotteuren sucht. In Deutschland entsandte das Unternehmen zu diesem Zweck vor zwei Wochen einen Vermittler zu den ACT-UP-Gruppen nach Köln und Berlin. Direkte Gespräche waren im Juli gescheitert. Zu dem Berliner Gespräch traf man sich in einem Kreuzberger Restaurant. Der Mittelsmann, selbständiger Marketing-Experte aus Frankfurt, habe »abzuklären« versucht, ob »größere finanzielle Zahlungen an Aids-Selbsthilfeorganisationen die ACT-UP-Gruppen zu einem Abbruch des Boykotts bewegen könnten«. Beide ACT-UP-Gruppen haben dieses Angebot zurückgewiesen und statt dessen gefordert, daß sich die deutsche Philip Morris GmbH öffentlich von den Spendenpraktiken der New Yorker Konzernzentrale distanziere. Der Vermittler habe »dies nicht in Aussicht stellen wollen«, so ACT UP.

»Die Frage ist doch: Wem will man eigentlich helfen?« meint dagegen der Frankfurter Philip-Morris- Mittelsmann zur taz. Den ACT-UP- Mitarbeitern warf er »Stasi-Methoden« vor. Von dem Geldangebot distanzierte sich der Marketing-Experte. Er fühle sich durch die Bekanntmachung der Gespräche von ACT UP »mißbraucht«.

»ACT UP lügt«, sagte Udo Wolff, Pressesprecher der Münchner Philip Morris GmbH gegenüber der taz. Ein Geldangebot habe es nie gegegen. Außerdem sei Philip Morris ein »liberales« Unternehmen, dessen Spendenvolumen für Aidshilfeorganisationen allein in diesem Jahr in den USA eine Million Dollar erreiche. An Jesse Helms persönlich seien dagegen in den letzten 13 Jahren insgesamt lediglich 21.000 Dollar gezahlt worden, für ein Helms-Museum habe es zusätzlich noch einmal 200.000 Dollar gegeben. Die Unterstützung für Helms werde der Konzern auch in Zukunft nicht einstellen, selbst wenn Philipp Morris die Ansichten des Senators zu Homosexualität, Aids und Kunst in vielen Punkten nicht teile. Marc Fest

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