Weiter gegen den 175er

■ Prozesse wegen Verstoßes gegen Sonderstrafrecht für Schwule sollen jetzt öffentlich gemacht werden

Berlin (taz) — Nach der Berliner Großdemonstration vom Oktober, bei der Schwule und Lesben aus Ost und West die Abschaffung des Schwulenparagraphen 175 StGB forderten, soll jetzt weiter gegen ebendiesen Paragraphen vorgegangen werden. Die „Aktionsgruppe gegen den Paragraphen 175“ und die Deutsche Aids-Hilfe planen öffentliche Aktionen, die die deutsche Teilung im sexuellen Sonderstrafrecht thematisieren. So soll die Liste einer laufenden Unterschriftensammlung übergeben werden, wenn das Thema 175er im gesamtdeutschen Bundestag debattiert wird. Außerdem sollen sich Männer, denen wegen Verstoßes gegen den Paragraphen 175 der Prozeß gemacht wird, bei der Aktionsgruppe melden, um Öffentlichkeit darüber herzustellen. Gesucht werden auch Männer, gegen die ein Ermittlungsverfahren in dieser Sache läuft. So soll die Absurdität und Unhaltbarkeit der gegen schwule Männer gerichteten Sondergesetzgebung verdeutlicht werden. Die Aktiongruppe garantiert den Betroffenen eine Abfederung der psychischen und sozialen Folgen sowie rechtliche Beratung, wenn ihr Fall durch die Medien geht: „In unserer Gruppe arbeiten namhafte Juristen, Sexualwissenschaftler und Psychologen“, so Jürgen Neumann von der Deutschen Aids-Hilfe.

Während im Gebiet der fünf neuen Länder „homosexuelle Handlungen“ zwischen jugendlichen und volljährigen Männern straffrei sind, drohen wegen des Sonderparagraphen 175 in den alten Bundesländern weiter Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Zu diesem bei der Vereinigung installierten, absurden „Tatortprinzip“ führte die Tatsache, daß in der Ex-DDR der entsprechende Paragraph bereits 1988 abgeschafft und eine einheitliche Schutzaltersgrenze für männliche und weibliche Jugendliche von 14 Jahren geschaffen wurde. In der BRD kommt es jährlich zu etwa 120 Verurteilungen wegen Verstoßes gegen den 175er — zumeist im Süden der Republik. kotte

Kontaktadresse: Deutsche Aids- Hilfe e.V., z.Hd. Jürgen Neumann, Nestortsraße 8-9, W-1000 Berlin 31, Tel.: 030/89690626; oder Michael Schuhmacher, Tel.: 030/89690641.