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Wellenkrieg am Golf

Auslandsdienste erweitern Kurzwellensendungen für die Golfregion/ Propaganda und Gegenpropaganda/ Sendenetz in Saudi-Arabien versorgt amerikanische Truppen  ■ Von Harald Kuhl

Während es den Anschein hat, daß in diplomatischen Kreisen derzeit intensiv an einer friedlichen Lösung der Golf-Krise gearbeitet wird, tobt seit Beginn der Besetzung Kuwaits eine Propagandaschlacht von einem Ausmaß, das wohl weltweit seit der Kuba-Krise und der intensivsten Phase des Kalten Krieges nicht mehr erreicht worden ist.

Daß den Invasoren die Bedeutung von Funk und Fernsehen sehr wohl bewußt war, wurde schnell offensichtlich. Bereits am 2.August, dem Tag der Invasion, war eine vermutlich irakische Station zu hören, die Verlautbarungen der „Provisorischen Regierung des Freien Kuwait“ sendete. Derweil waren die Studios von Radio Kuwait in der Hauptstadt schon von irakischen Soldaten besetzt und die Leitungen zu den etwas außerhalb der Stadt gelegenen Sendeanlagen bereits gekappt worden. Gleichwohl wurden aus einem provisorischen Studio, das sich in direkter Nähe zu den Sendern befand, noch fast 36 Stunden lang Hilferufe an die frei Welt gesendet, bis auch dieser Sender erobert wurde.

Rundfunk — Außenpolitik mit anderen Mitteln

Nur wenige Tage nach der Invasion beginnen bereits die zahlreichen internationalen Auslandsdienste mit speziellen oder erweiterten Kurzwellensendungen für die Golfregion. So versorgt Radio Australia die Australier im Irak und in Kuwait mit verläßlichen Nachrichten und Radio Canada International führt kurzerhand das seit langem geplante, aus finanziellen Gründen jedoch immer wieder aufgeschobene Programm in Arabisch ein. Die Voice of America und der BBC World Service wenden sich regelmäßig mit speziellen Mitteilungen ihrer Regierungen an ihre Landsleute und geben Verhaltensratschläge. Wie auch früher schon bei internationalen Krisen spielt der Auslandsrundfunk eine wichtige Rolle in der öffentlichen Diplomatie, wenn auch das Fernsehen mehr und mehr diese zu übernehmen scheint.

Bereits während der Kuba-Krise, 1962, als es um die Stationierung sowjetischer Raketen auf der Karibikinsel ging und die Welt sich am Rande eines Krieges befand, nutzten die Kontrahenten Robert Kennedy und Nikita Chruschtschow ihre Auslandssender Voice of America und Radio Moskau, um sich die neuesten Verlautbarungen zukommen zu lassen. Die Botschaft Chruschtschows, über Radio Moskau verbreitet, daß man die Stationierung rückgängig machen werde, sorgte letztlich dafür, daß es nicht zum Krieg kam. Nach Beilegung der Krise wurde dann sehr schnell das „Rote Telefon“ zwischen Moskau und Washington installiert, damit man künftig direkt kommunizieren konnte. Dennoch blieb der internationale Auslandsrundfunk ein wichtiger Faktor zur Fortführung der Außenpolitik mit anderen Mitteln.

Fernsehen als Kriegswaffe

Auch weil zwischen Washington und Bagdad kein dementsprechendes Telefon existiert, kann der internationale Rundfunk sowie in bislang nicht gekannter Intensität auch das Fernsehen als Ersatz für direkte Gespräche und Kommunikation funktionieren. Insbesondere das amerikanische Cable News Network (CNN) spielt mit seinen Nachrichtensendungen eine wichtige Rolle in internationalen Konflikten. Fachleute stellen deshalb auch schon die Frage, ob man das TV als Kriegswaffe bezeichnen kann.

Obgleich sich Präsident Bush gegen den TV-Krieg wandte, konnte er sich der Fernsehdiplomatie des Iraks nicht entziehen. Er nutzte seinerseits im Fernsehen übertragene Pressekonferenzen, um immer wieder in scharfer Form formulierte Warnungen an Bagdad zu übermitteln.

Auch nach der Freilassung der Geiseln tobt der Propagandakrieg am Golf unvermindert weiter. Aus dem Irak sind über dessen Auslandssender spezielle Sendungen für benachbarte Länder zu hören, in denen zum Widerstand gegen ausländische Einmischung aufgerufen wird. So für Ägypten die „Stimme eines Ägyptens des Arabismus“, für Syrien die „Stimme der Nationalen Allianz für die Befreiung Syriens“, für Saudi- Arabien „Radio Heiliges Mekka“ und „Radio Heiliges Medina“. Die beiden letztgenannten Programme verurteilen die Führung Saudi-Arabiens, da diese Nichtmoslems ins Land geholt hat und dadurch heilige Orte des Islams gefährdet. Mit der „Stimme des Friedens“ richtet sich die irakische Führung seit Mitte August in Englisch an „die amerikanischen Soldaten in der Wüste Saudi- Arabiens“. In den Programmen wird versucht die amerikanischen Truppen davon zu überzeugen, daß ihr Kampf sinnlos sein wird und sie in der Wüste nichts als den Tod finden werden. Seit kurzem ist auch die „Stimme des arabischen Erwachens“ zu hören, die sich mit ähnlichen Botschaften an die gegen den Irak aufmarschierten arabischen Truppen wendet. Die Annäherung des Iraks an den ehemaligen Kriegsgegner Iran hat dazu geführt, daß einige Untergrundsender, die vom Iran aus in den Irak Propagandaprogramme einstrahlten, ihren Betrieb einstellen mußten. Einige irakische Oppositionsgruppen, die im Iran Zuflucht und Unterstützung gefunden hatten, sind in Bedrängnis geraten.

Propaganda auch über deutsche Relaisstationen

Auf die massive Propagandamaschinerie des Irak reagierten die USA mit Gegenpropaganda. Sie erweiterten das arabische Programme der „Voice of America“ (laut Sendeauftrag das offizielle Sprachrohr der Außenpolitik der US-Regierung), die jetzt täglich 24 Stunden in die Golfregion ausstrahlt. Dabei kommen auch Relaissender in der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland zum Einsatz, die sonst Programme der amerikanischen Propagandasender „Radio Liberty“ und „Radio Freies Europa“ für die Sowjetunion und Osteuropa ausstrahlen. Darüber hinaus haben die USA in Saudi-Arabien ein Sendernetz errichtet, das die US- Truppen mit Rundfunkprogrammen versorgen soll. Ähnliche Pläne bestehen bei den britischen Verbänden. Ein kleiner amerikanischer Missionssender, der unter anderem auf Kurzwelle seit vielen Jahren aus dem von Israel kontrollierten Südlibanon für den Nahen Osten und die UdSSR sendet, startete in den USA die großangelegte „Operation Hoffnung“. Man will sich in den Programmen direkt an amerikanische Truppen wenden und so seiner bedingungslosen Unterstützung der US-Politik am Golf Ausdruck verleihen.

Zwischenzeitlich werden die ehemaligen Sendeanlagen von Radio Kuwait intensiv von Radio Bagdad für die Übertragung eigener Programme genutzt. Viele der vom irakischen Rundfunk verwendeten Frequenzen werden jedoch von Sendern in Nachbarstaaten umfangreich gestört.

Aber auch Radio Kuwait ist wieder zu hören, jetzt allerdings als Untergrundsender, der von einem unbekannten Standpunkt sendet und zum Widerstand gegen den Irak aufruft.

Auch Deutsche Welle sendet für den Golf

Unter den zahlreichen internationalen Auslandsdiensten, die spezielle Programme für Landsleute in der Golfregion eingeführt haben, befindet sich auch der bundesrepublikanische Auslandssender, die Deutsche Welle. Täglich werden vier Sondersendungen unter dem Titel Brennpunkt Golf im Anschluß an die Nachrichtensendung ausgestrahlt, und man sendet jetzt rund um die Uhr in Richtung Naher Osten.

Neuerdings bereitet der irakische Rundfunk in seinem Inlanddienst die Hörer auf einen Krieg vor und sendet Ratschläge, wie man sich im Falle eines Angriffs zu verhalten hat. Sollten die Programme der internationalen Auslandssender bzw. die des internationalen Auslandsfernsehens tatsächlich eine Fortführung der Außenpolitik mit anderen Mitteln sein, sind die Aussichten auf eine friedliche Lösung der Golf-Krise derzeit denkbar schlecht.

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