: Waigel kommt der FDP entgegen
■ CSU bietet Einstieg in Unternehmenssteuerreform statt des von der FDP geforderten Niedrigsteuergebietes in Ostdeutschland an/ Koalitionsverhandlungen in Bonn wiederaufgenommen
München/Bonn (ap/dpa) — Bundesfinanzminister Theo Waigel hat der FDP gestern einen Kompromiß im Steuerstreit angeboten. Nach einer CSU-Präsidiumssitzung in München signalisierte der Parteivorsitzende zugleich Einlenken auf die Linie der Freien Demokraten zur Pflegeversicherung. In Bonn setzten die Spitzenpolitiker von CDU, CSU und FDP am Nachmittag erstmals nach der Weihnachtspause ihre Gespräche über die künftige Regierungspolitik mit den Themen Wirtschaft, Landwirtschaft und Forschung fort.
Waigel sagte, als erste Stufe der geplanten Unternehmenssteuerreform wäre vielleicht schon zu Beginn des nächsten Jahres ein Verzicht auf die ertragsunabhängige Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer möglich. Die Feststellung des Einheitswerts von Haus- und Grundbesitz auf dem Gebiet der früheren DDR, mit der Tausende von Finanzbeamten beschäftigt wären, könne so entfallen.
Der Verzicht auf die beiden Steuern wäre allerdings nicht ohne Ausgleich möglich, betonte Waigel. Denkbar sei eine Senkung der degressiven Abschreibung. Das von der FDP geforderte Niedrigsteuergebiet in der ehemaligen DDR lehnte Waigel erneut ab. Er sagte weiter, eine zweite Stufe der geplanten Unternehmenssteuerreform solle erst 1995 in Kraft treten.
Begleitet von scharfer Kritik der SPD haben die Bonner Regierungsparteien CDU, CSU und FDP die über Weihnachten unterbrochenen Koalitionsverhandlungen am Montag in Bonn wiederaufgenommen. Die Verhandlungskommission unter Leitung der Parteivorsitzenden befaßte sich mit der Wirtschaftspolitik für die nächsten vier Jahre. Das ostdeutsche Straßen- und Schienennetz soll schnell ausgebaut werden, damit die Wirtschaft der neuen Länder bald in Schwung kommt. Die Koalition plant, die Genehmigungsverfahren dafür per Gesetz zu verkürzen.
Auch die Agrar- und Forschungspolitik sollten am Montag noch behandelt werden. Die Agrarpolitiker der Koalition haben vorgeschlagen, den Bauern finanzielle Anreize zur Verringerung der Überschußproduktion und für ökologische Landschaftspflege zu geben. Der Forschung drohen Einsparungen. Viele Projekte werden aus Geldmangel erst später verwirklicht werden können. Der Ausstieg aus der bemannten Raumfahrt ist bisher aber nicht im Gespräch.
Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Vogel warf der Koalition vor, ihr „Lügengebäude“ aus dem Bundestagswahlkampf sei zusammengestürzt. Entgegen allen Zusagen würden die Steuern doch erhöht werden. Die Koalition habe „die Steuerlüge öffentlich einzugestehen“ und „sofort einen Kassensturz vorzunehmen“. Eine Erhöhung der Telefongrundgebühr und eine Verkürzung des Zeittakts bei Ortsgesprächen lehnte Vogel ab.
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