: Rushdie-Solidaritätskomitee gespalten
■ Bekenntnis zum Islam verwirrt Anhänger des Schriftstellers/ Kehrtwende unmöglich
London (taz) — Der britisch-indische Autor Salman Rushdie hat am Wochenende angekündigt, er werde sein Versteck aufgeben und ein „möglichst normales Leben“ führen, selbst wenn der Mordaufruf gegen ihn nicht aufgehoben würde. Rushdie war kurz nach der Veröffentlichung der Satanischen Verse vor zwei Jahren vom damaligen Ayatollah Khomeini wegen „Blasphemie“ zum Abschuß freigegeben worden. Am vergangenen Sonntag stellte sich der Autor am Telefon den Fragen britischer Moslems. Die Gespräche wurden von zwei britischen und verschiedenen ausländischen Rundfunksendern live übertragen. Keiner der Anrufer akzeptierte Rushdies „Bekehrung zum Islam“, solange er sich nicht von den Satanischen Versen distanziere und das Buch vom Markt nehme. Rushdie hatte am Heiligen Abend erklärt, daß er sich dem Islam zugewandt habe und überzeugter Moslem geworden sei. Vor dem Gebäude des Lokalradios in Bradford, der Stadt mit dem größten moslemischen Bevölkerungsanteil in Großbritannien, kam es während der Sendung zu Demonstrationen gegen Rushdie.
Rushdies Entscheidung, seine Genehmigung für eine Taschenbuchausgabe der Satanischen Verse sowie für weitere Übersetzungen des Buches zu verweigern, hat die Solidaritätskampagne mit dem Autor gespalten. Der Autor und Rechtsanwalt Francis Bennion erklärte, Rushdie sei es nicht wert, verteidigt zu werden, weil er „potentiellen Mördern nachgegeben“ habe. Er sagte: „Am schlimmsten ist es jedoch, daß er seine Unterstützer verraten hat, indem er das heuchlerische Glaubensbekenntnis angenommen hat, dessen Anhänger berechtigt sind, einen Schriftsteller wegen eines Romans zu ermorden.“ Der Dramatiker Arnold Wesker hatte bereits Ende letzten Jahres Rushdies Bekehrung zum Islam als „Sieg für religiöse Terroristen“ bezeichnet. Rushdie hatte daraufhin geantwortet, das ginge „Arnold gar nichts an“. Tim Waterstone, Inhaber der Buchladenkette „Waterstone's“, in dessen Filiale Rushdie im Dezember zum ersten Mal seit Verhängung der „Fatwa“ eine Signierstunde gab, sagte, er sei traurig darüber, daß es keine Taschenbuchausgabe und keine weiteren Übersetzungen geben werde. Er fügte jedoch hinzu, daß Rushdie unter „unerträglichem Druck“ gestanden habe. Andere Mitglieder des Verteidigungskomitees wiesen die Kritik an Rushdie zurück. Fay Weldon sagte: „Natürlich hat man sich gewünscht, daß Salman Rushdie ein Heiliger ist. Aber er ist ein Mensch, und ein Mensch glaubt nun mal, was er glaubt. Ich hatte gehofft, daß er seinen humanistischen Standpunkt beibehalten würde, aber ich akzeptiere die Ansicht nicht, daß er seine Unterstützer verraten habe.“ Martin Amis sagte, die Kritik sei kein Grund zum Aufgeben: „Rushdie hat mein vollstes Vertrauen, so zu handeln, wie er es für richtig hält.“ Der englische Schriftsteller Julian Barnes alias Dan Kavanagh versicherte Rushdie seiner weiteren Unterstützung: „Es ist vermessen, ihn zu verurteilen, während man selbst in Sicherheit ist und sich nicht vorstellen kann, was die letzten zwei Jahre für ihn bedeutet haben.“ Frances D'Souza war über Bennions „unglaublichen Angriff“ empört. Sie sagte jedoch, daß das Komitee sich nicht auf das Thema Rushdie beschränken solle: „Wir werden vielleicht versuchen, die Rolle des Verteidigungskomitees zu erweitern und weltweit Fälle von Menschen aufzugreifen, die verfolgt werden.“ Ralf Sotscheck
Siehe auch Seite 10
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