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Brasiliens Kinderminister legt sich mit Rios Unternehmern an

■ Unternehmer und Polizei offiziell für Morde an Straßenkindern verantwortlich gemacht

Rio de Janeiro (afp) — Jahrelang in Brasilien ignoriert, ist die Ermordung hunderter Straßenkinder durch rechte Killerbanden nun ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Angeheizt wurde die Debatte durch Anschuldigungen des brasilianischen Ministers für Gesundheit und Kinder, Alceni Guerra, der den Unternehmern von Rio und anderen Städten vorwarf, zusammen mit Militär- und Zivilpolizei hinter den Morden zu stehen. Laut Polizeiinformationen wurden allein in Rio im vergangenen Jahr 450 Straßenkinder ermordet. Die meisten Morde wurden dabei in der riesigen Vorstadt Baixada Fluminense verzeichnet.

Minister Guerra betonte am Wochenende, die Bundespolizei habe Hinweise auf eine Beteiligung von Unternehmern an den Morden. Nach einem Treffen mit dem neuen Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, dem sozialdemokratischen Politiker Lionel Brizola, erklärte der Minister in einer Pressekonferenz, viele Kinder seien mit großkalibrigen Waffen umgebracht worden — Waffen, an die nur Angehörige der öffentlichen Institutionen herankämen. „Wir müssen nun feststellen, wer die schlechten Unternehmer und die schlechten Polizisten sind.“

In einer Rede vor Unternehmern forderte Guerra diese auf, sich zusammenzuschließen und gemeinsam gegen die Morde vorzugehen. Die Polizei habe klare Hinweise darauf, daß Unternehmer die Morde bezahlt und teilweise die Killer auch angeführt hätten. Der Koordinator der Nationalen Bewegung für Straßenkinder, Wolmer do Nascimento, beschuldigte den früheren Vorsitzenden der Handelskammer der Rio- Vorstadt Caxias, Getulio Roncalves, hinter den Morden zu stehen. Die Nationale Bewegung für Straßenkinder wollte gestern mehrere exemplarische Mordfälle, bei denen die Täter wie üblich straflos ausgingen, dem Justizministerium vorlegen.

Der Vorsitzende des Clubs der Unternehmer von Rio, Silvio Cunha, verteidigte die Ermordung von Straßenkindern mit den Worten: „Wer ein Straßenkind tötet, tut der Gesellschaft einen Gefallen.“ Schließlich seien dies keine kleinen Kinder, sondern kleine Kriminelle. „Dies sind keine Kinder. Kinder sind die, die bei uns im Haus leben.“ Er beschuldigte die Kinder, sie behinderten den Handel und verschreckten die Touristen. Minister Guerra setze sich nur für die Kinder ein, weil er keine Angst haben müsse, bei einem Spaziergang durch die Straßen Rios von einer Horde zwölfjähriger, mit Messern bewaffneter Jungs überfallen zu werden, sagte Cunha.

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