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Oldenburg in Kriegsaufruhr

■ Gesamte Stadt lahmgelegt / Schüler festgehalten / Fliegerhorst blockiert

In Oldenburg ging gestern nichts mehr. Seit sieben Uhr war der Pferdemarktkreisel, ein zentraler Verkehrsknotenpunkt, blockiert. Zunächst hatten sich etwa hundert Personen mit Transparenten und weißen Tüchern zu der Blockade eingefunden. Der Berufsverkehr staute sich bis in die Ausfallstraßen zurück. In den Schulen mußte Unterricht ausfallen, da die LehrerInnen nicht erscheinen konnten. Gegen 8 Uhr waren bereits mehrere hundert Menschen am Pferdemarkt versammelt. Die meisten AutofahrerInnen blieben geduldig. Einige FahrerInnen ließen ihr Auto stehen und gingen zu Fuß weiter.

Gegen 10 Uhr stieß eine SchülerInnendemonstration zu den BlockiererInnen. Sie berichteten, daß am Alten Gymnasium und in der Realschule Brüderstraße die SchülerInnen auf Anordnung der Direktion festgehalten wurden. Die Türen wurden abgesperrt. Damit sollte eine Teilnahme an der Demonstration verhindert werden. Einige SchülerInnen wurden zur Direktion zitiert und erhielten einen Tadel.

Um 10 Uhr wurde bekannt, daß am Fliegerhorst verstärkt Aktivitäten zu beobachten seien. Spontan fanden sich Gruppen von BlockiererInnen zusammen und begaben sich an die Tore des Fliegerhorstes. Vom Pferdemarkt aus kam ständig „Nachschub“, um die Blockaden zu verstärken.

Um 12.30 blockierten etwa 150 Leute das Haupttor, es kamen immer mehr hinzu. Um 12.45 Uhr versuchte ein Militärmannschaftswagen, durch das Haupttor zu gelangen. Dieser Versuch wurde vereitelt, doch es gelang den Soldaten, durch ein Nebentor auf den Fliegerhorst zu gelangen. Zehn Minuten später durchschnitt das Donnern von drei Militärflugzeugen der Fliegerstaffel die wartende Spannung vor dem Haupttor. Später wurde bekannt, daß das Tiefflugverbot um Oldenburg aufgehoben ist. In der Nacht auf den 18. Januar ist ein Austausch von Funkpersonal aus Erhac gegen Personal vom Fliegerhorst geplant.

Vor der Universität wurden kopierte Lagepläne massenhaft verteilt. Um 13 Uhr brachen die Bediensteten der Universität und die StudentInnen zu einem Schweigemarsch in die Innenstadt auf. Zu diesem Marsch hatten die Fachbereiche und der Präsident, Michael Daxner, aufgerufen. An der Universität wird weiterhin gestreikt. Ein für den 18. Januar geplantes Solidaritätsfest des Asta wurde abgesagt. Alle Kräfte an der Universität unterstützen das blockierende „Golfplenum“. Bedienstete stellen ihre Büros, Schreibmaschinen und Telefone zur Verfügung, das Studentenwerk bringt Kaffee und Brötchen.

Um 16 Uhr fand eine spontane Mahnwache vor der „Nordwest- Zeitung“ statt. Damit sollte auf die kriegstreiberische und verschleiernde Berichterstattung der Lokalzeitung im Vorfeld des Krieges hingeweisen werden. Um 17 Uhr gab es eine weitere Demonstration am Rathausmarkt. Weitere Aktionen werden beraten.

Marijke Gerwin

Golfplenum in Oldenburg: Rufnummer 0441/798-2573

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