: Über 5 Milliarden für Kriegskasse
Bundesdeutsche Kriegshilfe höher als bisher bekannt/ Soldaten der Bundeswehr brachten Tankwagen für US-Flugzeuge in das Golfgebiet/ Bis Ende April werden weitere Fahrzeuge geliefert ■ Von Andreas Zumach
Washington (taz) — Die Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland für die Kriegskasse der USA und ihrer Verbündeten ist umfangreicher als öffentlich bekannt. Die Regierung Kohl/Genscher hat sich bislang zu Waffenlieferungen, logistischer Unterstützung, Kostenübernahmen für Transporte etc. sowie zu Wirtschaftshilfen in einer Gesamthöhe von 5,16 Milliarden Mark verpflichtet. Knapp die Hälfte, 2,46 Milliarden Mark, wurde bis zum Ablauf des UNO-Ultimatums am 15.Januar gezahlt. Gesamtumfang und Art der Unterstützung gehen aus Unterlagen der US-Regierung in Washington hervor, die der taz vorliegen. In Washington wird genau Buch geführt, um für kommende Auseinandersetzungen mit Bonn über Lastenverteilungen gewappnet zu sein.
Den größten Anteil bundesdeutscher Kriegshilfe, 1,8 Milliarden Mark, erhielten die USA. Bis zum 15.1. lieferte Bonn für 550 Millionen Mark militärisches Gerät (Lkws, Nachrichtentechnik, Generatoren, Container und Tankwagen). Weitere Lieferungen im Wert von 515 Millionen sind zugesagt. Die Tankwagen, mit denen US-Kampfflugzeuge in der Golfregion betankt werden, wurden von Bundeswehrsoldaten in das Kriegsgebiet transportiert. Die Soldaten sind inzwischen in die BRD zurückgekehrt. In den 1,065 Milliarden Mark sind auch die Transportkosten in die Golfregion enthalten. Von den zugesagten 60 gepanzerten „Fuchs“-Fahrzeugen zur Aufspürung von A-, B- und C-Waffen waren bis zum 15. Januar dreißig an die US- Truppen am Golf ausgeliefert. In den Gesamtkosten von 200 Millionen Mark sind auch die Ausbildung von 600 GIs an diesen Spezialfahrzeugen enthalten. Die restlichen 30 „Füchse“ sollen laut Unterlagen der US-Regierung „bis Ende April 1991“ geliefert werden. Neben der am Montag dieser Woche von Präsident Bush angeordneten Steuerbefreiung für die US-Soldaten am Golf „zunächst bis zum 15. April“ ist dies ein zweiter Hinweis darauf, daß sich Washington offensichtlich auf einen längeren Krieg einrichtet.
Neben militärischem Großgerät erhielten die US-Streitkräfte Panzermunition des Kalibers 120 Millimeter im Wert von 59,3 Millionen Mark sowie für den Transport und die Landung von Luftfracht benötigte Materialien für 14 Millionen Mark. Ebenfalls für 14 Millionen Mark stellte Bonn den USA sechs Flugzeuge vom Typ C-160 samt Crews für Transporte innerhalb Westeuropas zur Verfügung, damit die US-Streitkräfte ihre Kapazitäten für die Verlegung von Waffen und Geräten an den Golf nutzen konnten. Auf das Konto des US-Finanzministeriums überwies die Bundesregierung 400 Millionen Mark Transportkostenbeihilfe. Schließlich sagte Bonn die Übernahme von bis zu 50 Millionen Mark Gebühren für die Benutzung bundesdeutscher Flughäfen zu. Bis zum 15. Januar fielen Gebühren in Höhe von 25 Millionen Mark an.
Mit 1,64 Milliarden Mark steht die Türkei an zweiter Stelle der Empfängerliste bundesdeutscher Unterstützung. Bis zum 15. Januar wurden für 812 Millionen Mark Waffen und Munition geliefert — zum großen Teil aus Beständen der Ex-NVA. Weitere Lieferungen im Wert von zusätzlichen 720 Millionen sind zugesagt — darunter Ausrüstungen für die türkische Luftwaffe und Marine. Darüber hinaus erhielt Ankara 110 Millionen Mark Wirtschaftshilfe zur Finanzierung von Importen. Auch Ägypten erhielt 200 Millionen Mark. Ferner versprach Bonn Kairo 715 Millionen Mark nicht näher definierter „Projekthilfe“ sowie 30 Millionen „technische Unterstützung“.
Großbritannien machte Bonn Zusagen in Gesamthöhe von 180,9 Millionen Mark, die allerdings bis zum 15. Januar noch nicht eingelöst waren: Artilleriemunition für 114 Millionen, militärisches Gerät inklusive „Fuchs“-Spezialfahrzeuge für 60 Millionen sowie zwei C-160-Flugzeuge mit Crews für den Transport innerhalb Europas für 6,9 Millionen.
221 Millionen Mark aus der Bonner Kasse gingen außerdem an Jordanien, das nicht an der Allianz gegen den Irak beteiligt ist, an dessen Neutralität im Golfkrieg der antiirakischen Allianz aber sehr gelegen ist (180 Millionen Importbeihilfen, 21 Millionen humanitäre Unterstützung, 20 Millionen zinsgünstige Anleihen).
In der bundesdeutschen Gesamtunterstützung für den Golfkrieg in Höhe von bislang 5,16 Milliarden ist auch der Anteil (311 Millionen Mark) an der im Zusammenhang mit der Golfkrise zugesagten EG-Hilfe für die Türkei, Ägypten und Jordanien enthalten. Nicht enthalten sind die Kosten für die Verlegung von 18 Alpha-Jets und 300 Soldaten der Bundesluftwaffe in die Türkei im Rahmen der mobilen Einsatztruppe der Nato. Auch die Kosten für die Entsendung eines Zerstörers der Bundesmarine sowie von drei Minensuchbooten, zwei Minenräumbooten und zwei Versorgungsschiffen in das östliche Mittelmeer kommen noch zu den 5,16 Milliarden hinzu. Nach Darstellung der Bundesregierung ist die Paris und Rom gewährte Unterstützung kostenneutral. Die französischen Luftwaffenstreitkräfte am Golf erhielten „Milan“- und „Hot“-Raketen aus deutschen Beständen „geliehen“, die italienischen Verbände Luft-See-Raketen der Marke „Kormoran“.
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