: Der diskrete Charme der Parodie
■ Kölner Bühnenkünstler auf der magnus party II
Die Kritiker überschlagen sich in Lobpreisung seiner Kunst des Unterhaltens. »Anarchistisches Vergnügen« hatte z.B. Corny Littmann (Schmidt/Hamburg) und bezeichnet ihn als »die Stecknadel im Heu der gewöhnlichen deutschen Unterhaltungsmacher«. Georgette Dee gar gesteht, »selten...so subtil zu Lachsalven verführt« worden zu sein. Und wahrlich: Pelle Pershing verhilft der Verwandlungskunst zu neuen Ehren und verwischt einem Kamelion gleich die Grenze zwischen Darsteller und Dargestelltem. Der Weg seiner Parodie führt offenbar über die Identifizierung. Pelle Pershing ist Alle in Einem; so ist es nicht verwunderlich, daß er sich auf der Bühne aus seinen Identitäten schält und als des Pudel Kern schließlich nackt vor uns steht. Doch ungleich der Höllengestalt Mephistoteles erwscheint hier ein Mensch, der der Menschenliebe vollends anheimgefallen zu sein scheint. Seine Shows lassen in ihrem Charme und ihrer Wärme jene Symphatie durchscheinen, die man leider auf der Bühne immer mehr vermisst. Georgette fühlt sich dann auch gleich ins »Reich der Leichtigkeit« entführt, endlich wird das Publikum nicht mit dem dramaturgischen Vorschlaghammer sämtlicher Feinheiten beraubt.
Ob diese allerdings am Sonntag auch zur Geltung kommen, bleibt abzuwarten - handelt es sich doch um ein midnight special und nicht um ein ganzes Programm. Das Schwulenmagazin magnus bittet zum zweiten Mal zum Tanz. Im Oktober vergangenen Jahres bildete die birthday party zum einjahrigen Bestehen des Blattes den Auftakt zu den nun vierteljährlich geplanten Veranstaltungen. Das damalige Showprogramm wurde von Georg Roth und Hella von Sinnen moderiert. Letztere sagt übrigens über den Kölner Bühnenkünstler: »Pelle Pershing - Das ist Pizza Tonno ohne Zwiebeln mit Knoblauch: Köstlich!«
Veranstaltungsort ist das krisengeschüttelte Quartier in der Potsdamer Straße. Nachdem Tornado-Gesellschafter Hoger Klotzbach seine Anteile an den nunmehrig alleinigen Gesellschafter BAP abgeben mußte, stehen der Blaue Montag und das Variet auf dem Spiel. BAP sieht nämlich die finanzielle Konsolidierung des Hauses als vorangiges Ziel und da ist mit Rock- und Discoveranstaltungen mehr Geld zu machen. Günter und Arnulf gestalten zwar noch den Blauen Montag, sind aber ohne Vertrag und Anstellung. Sollte sich diese schöne Veranstaltung als nicht ertragreich erweisen, hat auch ihre Stunde geschlagen.
An Sylvester trat Pelle Pershing übrigens zusammen mit Lucy Joker in Frankfurt in der Reihe »Sternschnuppen II - schwules im Theater« auf. Und obwohl das Publikum gewohnt begeistert war, konnte man doch einige Disharmonien feststellen. Denn auch wenn sie beide den gleichen schmucken Techniker für ihre Shows verpflichten, erschöpft sich darin auch schon die Kooperation. Beide sind eingefleischte Solisten, die keine anderen Götter neben sich auf der Bühne erlauben. Das Einzelkämpfertum erfährt ohnehin seine ungeahnte Blüte am bundesdeutschen Kleinkunsthimmel: Sei es Ernie Reinhardt von Familie Schmidt oder Terry Truck, Hofpianist von Diseuse Dee; der Solotingel durch die Republik ist ein allseits zu verzeichnendes Phänomen.
Pelle Pershing allerdings ist nicht ganz der einsame Streiter auf weiter Flur; zumindest seine vielen Identitäten sind immer dabei, und auch die taubstumme Taube Waltraud wird in ihrer exorbitanten Häßlichkeit eine immer treue Begleiterin sein. Zur magnus party II im Quartier um 20 h.
Dirk O. Evenson
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