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Steuerboykott gegen Kriegsfinanzierung?

■ Reinhard Egel von der 1983 gegründeten Friedenssteuer-Initiative verficht den nicht unumstrittenen Steuerboykott INTERVIEW

taz: Die Bundesregierung diskutiert zur Zeit Steuererhöhungen zur Mitfinanzierung des Golfkrieges. Ihre Initiative ruft dagegen zum Steuerboykott auf. Wie soll so ein Steuerboykott laufen?

Reinhard Egel: Wir rufen jetzt, im Gegensatz zu früher, zu einem 100prozentigen Steuerboykott auf, das heißt: Keine Zahlungen mehr an die Finanzämter, gleich welcher Steuerart, von der Hundesteuer über die KFZ-Steuer bis zur Einkommenssteuer, denn es gibt keine zweckgebundenen Steuern. Konkret sieht das so aus, daß wir Einzugsermächtigungen an die Finanzämter widerrufen, keine Steuern mehr überweisen und in einem Begleitschreiben erklären, daß wir nicht bereit sind, unter diesen Bedingungen zu zahlen. Wir rufen auch zum Einspruch dagegen auf, daß die Arbeitgeber Lohnsteuern an die Finanzämter weiterleiten, denn das sind weiterhin unsere Steuern. Unabhängig vom Arbeitgeber kann man unter Berufung auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit Einspruch bei den Finanzämtern dagegen einlegen, daß die Steuern einbehalten werden. Das Finanzamt hätte die Möglichkeit, die Steuern zu stunden bzw. zu erlassen, das liegt in seinem Ermessen.

Und das Finanzamt wird ätsch sagen. Was soll denn mit den nicht gezahlten Steuern passieren?

Wir haben das bisher so praktiziert, daß wir das zurückbehaltene Geld auf ein Verwahrkonto überwiesen, das von einem Rechtsanwalt treuhänderisch verwaltet wird. Dort bleibt es solange liegen, bis der Staat garantiert, daß es nicht für kriegerische Zwecke ausgegeben wird.

Keine Steuern zahlen heißt aber auch keine Steuern für Kindergärten, Schulen, Sozialhilfe undundund. Könnt ihr das verantworten?

Die Steuerverweigerung ist eine politische Aktion, die gegen die Kriegsfinanzierung gerichtet ist, nicht gegen Sozialausgaben des Staates. Es werden ja auch nicht von heute auf morgen alle diesem Aufruf folgen. Wir wünschen uns natürlich, daß das sehr viele tun, um Druck auszuüben gegen die Kriegsfinanzierung. Aber wenn lebenswichtige Dinge dadurch gefährdet würden, sind wir selbstverständlich bereit auch Steuern zu zahlen — vorausgesetzt, sie gehen nicht in die Kriegsfinanzierung.

Wir rufen außerdem dazu auf, die Zahlung der Telefonrechnungen zu verweigern und zu verzögern, denn die Überschüsse von Telekom fließen in die Staatskasse und damit zum großen Teil in die Kriegsfinanzierung. Darüberhinaus rufen wir auf zu einem Konsumboykott von steuerlich besonders belasteten Waren, insbesondere von Treibstoff. Man kann sich auch überlegen, US-Produkte zu boykottieren, weil darin direkte US-Kriegssteuern enthalten sind. Ich möchte aber anmerken, daß unsere Überlegungen nicht antiamerikanisch sind, denn auch viele US- Amerikanerinnen verweigern jetzt Steuern für den Krieg.

Der Krieg wird aber keinen Tag kürzer, wenn möglichst viele Leute keine Steuern zahlen [Quatsch. d.K.]. Die immensen Kosten werden trotzdem entstehen und werden auch gezahlt werden, und zwar aus Steuergeldern.

Wir fordern mit unserem Boykott, daß wieder Politik gemacht wird und nicht Krieg. Und ich glaube, daß dieses Zeichen von unserer Regierung auch sehr deutlich verstanden würde. Wenn viele Menschen die Steuern verweigern, ist das auch mehr als ein bloßes Symbol.

Schon anfang der 80er Jahre gab es in der Friedensbewegung Initiativen zu einem Rüstungssteuerboykott. Der Boykott ist nie massenweise praktiziert worden, und die Erfahrungen waren nicht gerade ermutigend.

Im Moment ist die Betroffenheit der Menschen viel größer, Nein zu sagen mit allen Konsequenzen. Vor acht Jahren war der Steuerboykott im wesentlichen eine symbolische Verweigerung von je einem Pfennig pro stationierter Rakete. Das ist nicht vergleichbar mit einem völligen Steuerboykott heute.

Nun ist das ja nicht so einfach zu sagen: Ich zahle einfach keine Steuern. Irgendwann steht dann der Vollstreckungsbeamte vor der Tür.

Wenn man die Steuern nicht zahlt bekommt man erst einmal Mahnungen und wenn man die nicht zahlt, wird die Zwangsvollstreckung bzw. die Pfändung angedroht. Darüber werden aber Wochen und Monate vergehen, nach unserer Erfahrung sogar Jahre. Deshalb ist es entscheidend, daß sich möglichst viele an dem Boykott beteiligen, um die Pfändung bei einzelnen möglichst lange hinauszuzögern.

Aber zahlen muß man irgendwann dann doch.

Man muß irgendwann zahlen und man wird zusätzlich eine Säumnisgebühr abgenommen kriegen. Es gibt viele Menschen, die haben sich durch Sitzblockaden gegen die Mittelstreckenraketen Strafverfahren eingehandelt. Die offene, persönliche Steuerverweigeurng steht nicht einmal unter dem Risiko einer Strafverfolgung, denn sie ist keine Straftat. Hinter der Frage: Sind wir bereit, diesen Krieg mitzufinanzieren, treten diese anderen Fragen zurück. Von uns werden sicher „kleine Opfer“ verlangt werden, aber im Verhältnis zu den Opfern, die der Krieg jede Minute verlangt, sind das relativ kleine Opfer. Interview: Vera Gaserow

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