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TO MAKE MONEY IN PEACE

■ Am 26. Januar feiern die weißen Australier ihren Nationalfeiertag

Am 26. Januar feiern die weißen Australier ihren Nationalfeiertag

VONOLAFSCHUR

Die Beliebtheit von Feiertagen verhält sich in der Regel umgekehrt proportional zu ihrer historischen Bedeutung. Das ist selbst auf der anderen Seite der Erdkugel, in Australien, nicht anders — sieht man einmal vom 26. Januar ab.

An diesem Tag begann im Jahre 1788 die „weiße“ Geschichte Australiens, als Captain Phillip im Sydney Cove die britische Flagge hissen ließ und mit weihevoller Geste einen Toast auf King George III. aussprach. Die Sträflingskolonie New South Wales war damit gegründet. Heute nennen die weißen Australier den Tag „Australia Day“, es ist ihr Nationalfeiertag. Einen Trauertag begehen gleichzeitig die Ureinwohner Australiens, die schwarzen Aborigines, weil dieses Datum für sie den Verlust von Lebensraum und Kultur bedeutet. Deren „Day of Mourning“ geht jedoch an den meisten Aussies spurlos vorüber. Ihnen ist dieser meistens gleichgültig. Sie haben es entweder erfolgreich aus dem Bewußtsein verdrängt oder nie zu Bewußtsein kommen lassen und sind in der Regel mit Surfen, Pferderennen, Parties oder „Pub Crawls“ beschäftigt.

Sydney ist die traditionsreichste Stadt eines Landes, das an Geschichte so arm ist. Kein Australier würde die Ansicht des etwas opportunistischen Amerikaners (und damit Leidensgenossen) Henry Ford teilen, daß Geschichte „vorwiegend Geschwätz“ sei; es ist das nationale Lebenselixier, das den Australiern hilft, ihr Image der Sträflingskolonie, das sich hartnäckig hält, zu verdrängen. Historische Lücken werden von Australiern auch manchmal durch heroische Legenden ausgefüllt. Und sie beginnen nicht selten in Sydney, der einzigen australischen Stadt mit Vergangenheit und Zukunft.

Man kann sich dieser Schönheit nicht entziehen: Sydney liegt an den großen Meeresbuchten Botany Bay und Port Jackson, die ihrerseits wieder in unzählige kleine Buchten zerfleddert sind. Die blaue Brandung des Pazifiks streckt ihre Finger nach dem Land, scheint es durchdringen zu wollen. Es tost an den Heads, den heiligen Felsen der Aborigines, es plätschert im Sydney Cove, am Fuße des Opernhauses, wo an den Uferpromenaden Touristen genauso wie Banker, die gerade — natürlich per Funk erreichbar — eine Pause machen, umherflanieren.

Dagegen steht Sydney, der Ballungsraum: Hauptstadt des ersten Bundesstaates New South Wales, aber gleichzeitig auch heimliche Hauptstadt des Kontinents. Die knapp vier Millionen Einwohner wuchern nach Norden in Richtung Newcastle, einer stinkenden Industriestadt, und im Süden sind bis Wollongong die Auswirkungen der Metropole zu spüren.

Das Lebensgefühl der Sydneysider erschließt sich im Prinzip erst dann, wenn man Outback und Bush, die Wüsten und Salzseen, die unendlichen leeren Weiten des Landesinneren, das Great Barrier Reef und die tropischen Regenwälder kennengelernt hat. Stadt und „Land“, das sind in Australien — anders als in Europa — wahre Extreme. Städte sind ultramoderne Siedlungsoasen inmitten feindlicher, dörrender, flimmernder Wildnis, die einst Lebensraum der Aborigines war (und als solcher seit der weißen Kolonisierung nie wieder ernsthaft anerkannt wurde). Outback und Bush sind dennoch Teil des Bewußtseins vieler Australier, obwohl oder gerade weil 86 Prozent von ihnen in Städten wohnen. Kaum jemand fühlt sich deshalb in den Shopping-Schluchten Sydneys ernsthaft gefangen, bedrängt oder klaustrophobisch — und das sieht man den Leuten schon von weitem an. Die meisten geben sich luftig und elegant, auf dem Martin Place kann man so manchen Banker mit hochgekrempelten Hosen und offener Krawatte beobachten, die Frauen demonstrieren Selbstbewußtsein in der australischen Männerwelt. Wenn die Sonne über der Tasmanischen See aufgeht, belebt sich die Stadt sehr schnell. Die Fähren schippern aus den Vororten heran, am Circular Quay ergießen sich die Menschenmassen ins zentrale Geschäftsviertel, die Sydney Harbour Bridge kapituliert vor der Rush-hour. Die Sonne wärmt die salzige Luft, bringt sie zum Flimmern, eine Meeresbrise zieht auf. Vom 300 Meter hohen Sydney Centrepoint Tower hat man den Überblick über die gigantische Stadtlandschaft: Unendlich viele Autos versuchen, sich im britischen Linksverkehr ihren Weg durch den Central Business District zu bahnen. Menschen krabbeln wie Ameisen aus Gebäuden heraus, in andere hinein, in Busse, in Untergrundbahnhöfe, in die futuristische Monorail, die sich wie ein Tausendfüßler durch röhrenförmige Halteplattformen schiebt.

Die berühmten Einkaufsstraßen Pitt Street und George Street füllen sich mit unrasierten Weltenbummlern, geschäftigen Hausfrauen, die Obdachlosen setzen ihre Stadtwanderung fort, und die Reichen decken sich mit dem letzten internationalen Schick ein. Alle sind in Eile, aber niemand wirkt hektisch. Im Boheme- und Rotlichtviertel Kings Cross/ Darlinghurst Road kehrt Ruhe ein, zwölf Stunden Pause für die Blaulichter der Stadtpolizei. Die urbane Nervosität löst sich in das metropolitane, sommerliche Flair der Stadt auf. Unzählige Parkanlagen liefern Sauerstoff und Liegewiesen. Auf den glitzernden Bürohochhäusern sind Penthousewohnungen, Swimmingpools und Gärten auszumachen. Selbst in der innersten City zwischen Bankpalästen und Skyscrapern ist Entspannung angesagt: City- Cafés, britisch anmutende Pubs, Straßenmusik, Zeitungsverkäufer, die an das New York alter amerikanischer Spielfilme erinnern.

Ganz amerikanisch ist auch der Traum vom Einfamilienhaus als Wohnideal. Das hat zum „urban sprawl“, zu einer großflächigen Stadtlandschaft beigetragen. 65 Prozent der Sydneysider wohnen in solchen Einfamilienhäusern und dokumentieren damit die konservativen und materiellen Ideale der Australier, die Thelma Forshaw, eine bekannte Autorin aus Sydney, anhand ihres Protagonisten Hele Ganor in der Kurzgeschichte The Demo beschreibt: „Mr. Ganor was neither a Freudian nor a politician but, as a dedicated shopkeeper [...], he dreaded everything that conflicted with his purpose: to be left to make money in peace.“

In diesem Januar, wo sich die Augen der Sportwelt auf die Gluthitze von Down Under richteten, weil dort die internationalen Tennismeisterschaften von Adelaide und Brisbane und die Schwimmweltmeisterschaft in Perth stattfanden, wird der 26. Januar nun weniger großartig zelebriert werden als vor drei Jahren zur Zweihundertjahrfeier. Aber die Australier selbst werden sich einen schönen freien Tag machen, die Sydneysider werden den dunkelblauen Sydney Cove mit den weißen Segeln ihrer Boote übersäen, majestätisch beäugt von der stählernen „Iron Lung“, der fast 60 Jahre alten Sydney Harbour Bridge, und von den architektonischen Segeln des Opera House. Die Fähren, die vom Circular Quay nach Manly übersetzen, werden von Strandurlaubern überfüllt sein, ebenso die Busse zum Bondi Beach. Man wird sich vergnügen in Darling Harbour, in China Town, im alten The Rocks, das früher den Dockarbeitern, jetzt den Touristen und Yuppies gehört, „business as usual“ ist angesagt in Kings Cross, dem Sydney den Ruf verdankt, San Francisco als das Mekka der Homosexuellen- und außerdem der Drogenszene abgelöst zu haben. Traditionell wird man feiern im Vorort Paramatta.

David Williams, ein bekannter australischer Dichter, schrieb in einem seiner Stücke, daß kein Mensch in Australien Zeit damit verschwende, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Wichtig sei ein Haus mit Blick aufs Meer.

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