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Begrüßung der „Scheinheiligen“

■ Zornerfüllte Israelis bereiteten der deutschen Delegation einen „heißen“ Empfang

In der Kurve der Flughafenausfahrt zur Autobahn am Ben-Gurion-Airport wurden die deutschen Politiker am Donnerstag von den ersten Demonstranten begrüßt. „Willkommen den Scheinheiligen“ stand auf einigen Transparenten. Ein Sturm der Entrüstung erwartete Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und seine Delegation, Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger (CSU) und der CDU-Generalsekretär Volker Rühe.

Die Ankündigung der Reise durch Bundeskanzler Helmut Kohl, die 250-Millionen-Mark-Spende und der persönliche Ruf der deutschen Delegation spielten auf der Straße nicht die geringste Rolle.

Israelische Diplomaten werteten die zornerfüllten Kundgebungen viel nüchterner. Genscher sei als Freund Israels kein Problem, sondern ein willkommener Gast, und dies wisse eigentlich auch jeder, der lesen könne. Das Problem seien die deutschen Demonstranten gegen den Golfkrieg, die den Akt der Aggression durch den irakischen Diktator Saddam Hussein nicht zur Kenntnis nehmen wollten.

Die Enttäuschung über die lange Bedenkfrist der Deutschen, bis der Bundeskanzler am Mittwoch offiziell die Solidarität der Bundesregierung mit Israel bekräftigte, wurde auch deutlich und innenpolitisch publikumswirksam von Außenminister David Levy formuliert. Von den Deutschen erwarte man nicht nur einen Scheck, so eine Stellungnahme, die dröhnend und in alttestamentarischem Zorn vorgebracht wurde, während die neben ihm sitzende deutsche Delegation immer blasser zu werden schien. Levy habe aber einen Ruf als Falke zu verteidigen, versicherten Diplomaten.

Die deutsche Delegation weckte zudem draußen und hinter den Kulissen all jene düsteren Assoziationen gegenüber unbeliebten Waffenhändlern, die durch die Enthüllungen im Bonner Kanzleramt über die technische Raketenhilfe deutscher Experten für Saddam Hussein auch nicht gemildert wurden. Und schließlich sind auch bei israelischen Politikern die Nerven äußerst gespannt angesichts der Tatsache, daß es den alliierten Einheiten am Golf immer noch nicht gelungen ist, die Kommandozentralen Saddam Husseins zu vernichten.

„Ihr Deutschen habt Saddam die Raketen gegeben“, weinte eine Frau vor ihrem zerbombten Haus. Daß die Scud-Raketen aus dem Irak sowjetischer Machart sind, während aus der Bundesrepublik unter anderem „nur“ Anlagen zur Produktion von Giftgas geliefert wurden, macht in einer solchen Situation keinen Eindruck.

Die Szene spielte sich in der Nähe einer aufgerissenen Fassade ab, hinter der die Reste einer Küche sichtbar wurden. Ein Karton mit Eiern lag noch auf dem Küchentisch, die Kartoffeln daneben. Sie waren erst vor 48 Stunden für den Suppentopf bestimmt gewesen, als die Rakete einschlug.

Auf einem Feld nahe Tel Aviv reihen sich große klotzige Rechtecke auf; sie sehen aus wie Sperrholzkisten auf ihren schrägen Gestellen. Die genaue Lage darf nicht angegeben werden; die Militärzensoren streichen alle geographischen Koordinaten.

Es sind die Mehrfachrampen für die inzwischen weltberühmten „Patriot“-Raketen, Israels einzige Chance zur Abwehr der irakischen Raketenangriffe. Sie bilden zur Zeit die einzige Beruhigung für die Israelis, die fast jede Nacht von dem unheimlichen an- und abschwellenden Sirenengeheul in die abgedichteten Schutzräume gejagt werden. H.J. Höfer (dpa), Jerusalem

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