piwik no script img

Die zärtliche Kamera

■ Heute: »Photo« — Ein Riechfilm von Karl Lagerfeld JUGENDFREIE SCHLEPPERFILME

»Ritsch, ratsch, klick, bzzz, krk, klick, bzzz, blitz, rrrr, ... klick«. Ein neuer Sound belebt die Kinos, ein neuer Trend erfrischt die Leinwand: Photo von Karl Lagerfeld, einem Mann, der nicht zum ersten Mal die Zeichen der Zeit erkannt hat. Sein Verdienst ist es, das altbewährte, gefühlige Saxophon aus dem Stimmungsfilm verbannt und den avantgardistischen Maschinensound den hunrigen Ohren der Weltbürger nähergebracht zu haben.

Viele Kinobesucher, die regelmäßig gerade jene Lichtspielhäuser aufsuchen, die den Komfort des THX- Superstereo als Selbstverständlichkeit anbieten, waren ehrlich überrascht. »Kann ein Photoapparat so schön klingen?«, »Wie das Schnurren einer Katze« fassen die begeisterten Besucher ihr Erstaunen in Worte, ja einer gesteht sogar: »Es ist, als sei man selbst eine Kamera und höre das geschmeidige Ineinandergreifen seines Inneren.«

Kein Zweifel, der soeben erst im Vorprogramm gestartete Kurzfilm Photo ist jetzt schon ein Erfolg. In klassischem Schwarz-Weiß läßt Lagerfeld den öligen »Body« der Kamera durch den Raum schweifen und jedesmal klickend aufgurren, wenn der Moment gerade besonders schön ist. Doch Kleider-Karl ist, wie man weiß, kein Kostverächter, und so hat er dem dankbaren Publikum nichts vorenthaltend, einer jungen Schauspielerin zum Sprung auf die Leinwand verholfen. Danielle, eine pfirsichweiche Laune der Natur und seit Bilitis sicher das cremigste Geschöpf, umkreist von der zärtlichen Kamera, die Lagerfeld wie einen weichen Pinsel durch sein Ambiente streifen läßt. Nicht umsonst erhielt der Titan der Modeschöpfer für diesen Film die goldene Klinke, die die Filmmesse in Hannover jährlich an ein Werk verleiht, das neue Perspektiven eröffnet.

Doch war es nicht nur die pure Geräuschkulisse der zärtlichen und zugleich naiven Kamera, die eher unschuldig mit ihrer summenden Leidenschaft aufstöhnte und mit dem Freeze, dem Anhalten des Bildes ihren Atem stocken ließ, es war vor allem ein neues Konzept, das die Jury überzeugte: das Odorama.

Genauso wie das 3-D-Kino keine neue Idee, zweifellos, aber erst Karl Lagerfeld hat die ungeheuren Möglichkeiten des Odorama, des Riechfilms, erkannt. Am Ende der Action- und Serienepoche des Films schuf er ein neues Genre, das dem modern gesinnten Filmfreund das Herz höher schlagen läßt: Ein Film mit Groove, ein Film, den man fühlen kann, der schwingt und duftet und von jeglichem unnötigen Dialog befreit ist. Doch anders als die umständliche Version der Rubbelkarte, aus der der Duft steigen soll, bietet Lagerfeld seine Duftmessage in der handlichen 200-ml-Flasche an, deren Inhalt man eben nicht nur im Kino genießen kann, sondern auch in der Freiheit oder an einem Ort, an dem man sich mittels Photo die Gefühlswelt des gleichnamigen Films in Erinnerung rufen will. Nicht nur eine Film-, sondern auch eine Marketing-Idee, mit der der Schöpfer vom Champs-Elysées einen duftenden Meilenstein für die Neunziger gesetzt hat. Chapeau! S.A.F.T.

Photo, Frankreich, 1990, 90 sec., in jedem guten Kino mit THX-Soundsystem und als 200-ml- Durftbox in der nächsten Drogerie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen