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Mühsame Annäherungen in Ostasien

Erste Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und Nordkorea  ■ Aus Tokio Georg Blume

46 Jahre nach Ende der japanischen Kolonialherrschaft über die koreanische Halbinsel (1910-1945) haben Japan und Nordkorea am Mittwoch und Donnerstag in Pjöngjang zum ersten Mal offizielle Verhandlungen zur Eröffnung diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern geführt. Die Gespräche endeten im wesentlichen ohne Annäherung der unterschiedlichen Positionen, ein zweites Treffen soll in der ersten Märzhälfte in Tokio stattfinden.

Zum Auftakt der Verhandlungen bestätigte die japanische Delegation die grundsätzliche Bereitschaft ihrer Regierung, Nordkorea mit wirtschaftlicher Hilfe zu unterstützen. Nordkorea aber verlangt darüber hinaus Entschädigungssummen für die durch die Kolonialherrschaft bedingte Landesteilung nach dem Krieg. Streitpunkt bleibt weiter die Weigerung Nordkoreas, seine vermuteten Atomanlagen der internationalen Kontrolle zu öffnen. Außerdem besteht Pjöngjang auf einer offiziellen „Entschuldigung“ Japans für vergangene Untaten. Genau das hatte Tokio verweigert, als man 1965 einen ersten bilateralen Vertrag mit Südkorea unterzeichnete.

Die zweitägige Runde brachte in diesen Punkten keine Annäherung, dennoch konnten beide Seiten kleinere Zugeständnisse mit nach Hause nehmen. So dürfen nun die nach dem letzten Weltkrieg in Nordkorea gestrandeten Japanerinnen künftig Japan besuchen. Im Gegenzug sollen auch die in Japan lebenden Nordkoreaner künftig nicht mehr gezwungen werden, regelmäßig bei den Ausländerbehörden ihre Fingerabdrücke registieren zu lassen. Im Januar war in Seoul zwischen Japan und Südkorea vereinbart worden, daß der Fingerabdruckzwang für Südkoreaner innerhalb der kommenden zwei Jahre abgeschafft wird.

Bei allen Differenzen führte eine Reihe gemeinsamer Interessen die beiden Seiten an den Verhandlungstisch. Sowohl Tokio als auch Pjöngjang ist am Gelingen der vor allem von Südkorea betriebenen Annäherungpolitik im geteilten Land wenig gelegen. Nordkoreas Diktator Kim Il Sung fürchtet das Schicksal Honeckers, und Japan wünscht sich kein vereinigtes Korea zum Konkurrenten. Die Verhandlungen mit Japan aber führen Nordkorea ohne Verpflichtungen gegenüber Seoul aus der außenpolitischen Isolation und versprechen eine lukrative Finanzspritze, ebenfalls ohne südkoreanische Hilfe. Monate, wenn nicht Jahre, werden die Verhandlungen entsprechend den Gepflogenheiten ostasiastischer Diplomatie währen. Doch bereits gestern erklärte der nordkoreanische Außenminister das „starke Interesse“ seines Landes, nun auch die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Das Selbstbewußtsein der nordkoreanischen Herrscher ist wieder gewachsen.

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