piwik no script img

„Keine konkreten Schritte“

■ Gewerkschaftsführer Njikelana über die Reformen

taz: Mit dem „Group Areas Act“, den Landgesetzen und dem „Population Registration Act“ fallen Säulen der Apartheid. Ist damit der Weg zu einem Südafrika ohne Apartheid schon unumkehrbar?

Sisa Njikelana: Die Abschaffung der Apartheidgesetze ist früher oder später erwartet worden. Doch unabhängig davon gibt es eine wichtige Dimension, die wir ernsthaft beachten sollten: die gegenwärtige Praxis der Apartheid. Es gehört zur Verantwortung der Apartheidverbrecher, nicht nur die Apartheidgesetze aufzuheben, sondern auch die Wunden zu heilen, die durch die Apartheidgesetze und die tägliche Praxis der Apartheid entstanden sind.

Was müßte geschehen, damit Apartheid wirklich abgeschafft würde?

Wir brauchen endlich Programme zur Verbesserung der sozialen Lage der Schwarzen. Die ökonomischen Folgen der Apartheid schaden Millionen von Menschen, und daran kann die bloße Abschaffung von Apartheidgesetzen auch nichts ändern. Zum Beispiel die Wohnungsnot. Anstatt diese ernsthaft anzugehen, schiebt sie Pretoria in den privaten Sektor ab: Wenn du eine Wohnung brauchst, so sagt die Regierung, kauf dir ein Haus. Oder das System der Wanderarbeit: Pretoria hat es als verbrecherisch bezeichnet, aber keinerlei konkrete Schritte unternommen. Die einzige konkrete Änderung wird sein, daß die Menschen das Recht haben werden, ihren Wohnort frei zu wählen. Aber wir bräuchten ein umfangreiches Notstandsprogramm, damit sich die Verhältnisse wirklich ändern könnten. Das gleiche gilt für das Gesundheitswesen, die Fürsorge für Behinderte und für die Altersversorgung. Noch immer gibt es zum Beispiel sehr große Unterschiede in der Höhe der Pensionen für Weiße und Schwarze. Oder schauen wir auf das Erziehungswesen, das sich in einer schweren Krise befindet. Für uns alle ist es eine Farce, wenn der Hinweis der Regierung auf private Schulen die Lösung der Probleme sein soll. Interview: Klaus Heidel

Der infolge eines Autounfalls schwerbehinderte Sisa Njikelana (36) ist Generalsekretär der „National Education, Health and Allied Workers Union“ (NEHAWU).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen