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Der eitle Schein der Welt

■ Hologramme aus der Sammlung Fielmann in der Akademie Galerie

Über Besuchermangel kann die Akademie Galerie am Marx-Engels-Platz nicht klagen. Die »Räume aus Licht«, Hologramme aus einer privaten Sammlung, hielten sogar der Konkurrenz von Grüner Woche und Dinosaurier- Schau stand. Zuverlässig lockt der Drei-D-Effekt.

Ein Bericht von

Katrin Bettina Müller.

Selbst einem mit den Brillenungetümen der Stereoskopie ausgerüsteten Kinopublikum blieb bisher das Erlebnis versagt, das Dan Schweitzer in seinem Hologramm The Movie Theatre inszeniert: gewahrt man zuerst nur über die plastischen Hinterköpfe des Publikums hinweg einen großen Männerkopf auf der Leinwand, so schiebt sich in dem Moment, da man sich schon wieder abwenden will, eine riesengroße Hand aus der Leinwand und greift nach den Zuschauern wie einst King Kong nach der weißen Frau.

Wahrscheinlich spinnt sich fast jedes Kind einmal die Vision aus, daß die gezeichneten Gestalten im Bilderbuch gerade dann, wenn man nicht hinsieht, ein Eigenleben entwickeln. Kurz bevor man die Seite umschlägt, hasten sie wieder an ihren Platz, und nie gelingt es, sie zu ertappen. In Schweitzers Movie Theatre scheint diese Vorstellung vom Eigenleben des Bildes plötzlich Wirklichkeit geworden. Aber an die Stelle der möglichen phantastischen Abenteuer ist eine mechanische Geste gerückt, die, vom Betrachter einmal entdeckt, immer wieder reproduziert werden kann.

Denn die holographische Vision entsteht aus dem Zusammenspiel einer gläsernen Platte, einem darauf gerichteten Lichtstrahl und den Bewegungen des Betrachters. Der Bildraum existiert nicht für sich; er baut sich aus dem von der Platte reflektierten Licht erst in der Wahrnehmung des sich davor bewegenden Betrachters auf. Mit jeder Veränderung seiner Perspektive nimmt er das Motiv aus einem anderen Winkel wahr; ständig wandelt sich das Bild, changierend in den Farben des Regenbogens. Daß die Technik die Aktivität des Zuschauers verlangt, rechnet sich die Theorie der Holographie als demokratisches Plus an. Doch das bleibt eine Leerformel, denn wenn auch unendlich viele Versionen eines Motivs je nach Blickwinkel möglich sind, so sind sie doch alle schon im Speichermedium der Platte festgelegt.

Ein Wasserhahn, Shakespeare und die Augen der Medusa

Aus der eben noch flachen, grünen Scheibe stößt ein Wasserhahn in den Raum vor, der doch jeden Dürstenden trockenen Mundes läßt. Shakespeare winkt mit seiner Feder, Medusas Augen leuchten rot. Über dem real existierenden spitzen Stumpf eines Glases erscheint dem Vorübergehenden der unzerstörte Glaskörper. Die gegenständlichen Motive der sogenannten Demonstrationshologramme, die noch ohne Kunstanspruch die Möglichkeiten der Technik vorführen, legen Sciences-fiction, magische Zirkel und Geisterbahnen als ideale Anwendungsgebiete nahe. Aber selbst die trivialen Tricks reizen in ihrer Immaterialität zu spekulativen Ausflügen in die Gefilde von Illusion und Simulation. Schon an den zum Greifen plastischen Wasserhahn, der sich doch nicht greifen läßt, knüpft der versierte Holographie-Theoretiker die These von der Unbegreifbarkeit der Welt und der möglichen Fiktionalität all dessen, was wir für Wirklichkeit halten: Wirklichkeit erscheint nur noch als eine Sache des Standpunkts. Die Holographie entpuppt sich als wunderbares Illustrationsmedium für Hobbyphilosophen, das spielend hilft, die Grenze zwischen Geist und Materie zu überwinden. Welches Motiv auch immer ihr Licht dabei in den Raum sendet, ist sekundär.

Der gehobene Holographie- Künstler flieht zwar die banalen Motive. Er versucht den virtuellen Raum zur Überwindung der historischen Techniken der Kunst der Raumerzeugung auf einem zweidimensionalen Bildträger zu nutzen. Doch die gedanklichen Implikationen lassen sich ebenso an den simpelsten vorgetäuschten Gegenstand knüpfen. Ähnlich wie in den Anamorphosen der Renaissance — verzerrten Zeichnungen, die nur mit einem gekrümmten Spiegel zu entschlüsseln waren — wird hier ein ästhetisches Geschicklichkeitsspiel zum Anlaß, das Erfassen von Kunst und Wirklichkeit und die Gesetze des Raumes neu zu hinterfragen.

Bei jeder Annäherung zerreißt die Vision

In Rudi Berkhouts New Territories verlockt die leuchtende Linie einer imaginären Bergkette zu näherer Raumerkundung; allein bei jeder Annäherung zerreißt die Vision in ein flaches und wirres Liniennetz. Lichtwerke, die aus der Phantasie der Besucher entsprungen zu sein vorgeben, flackern durch die klassisch proportionierten Säulenhallen einer Galerie, die Dan Schweitzer in einem holographischen Tryptichon entwirft. Douglas E. Tyler spannt holographische Streifen in eine an Kandinsky erinnernde graphische Komposition, die sich wie Schubladen in eine andere Dimension öffnen. Frithioff Johansen sperrt das Hologramm einer Papierrolle, auf der die Funktion der Holographie erklärt wird, in einen Granitstein, als müßte er die Kunst vor ihrer endgültigen Verflüchtigung retten. In der Holo-Fliese von Vito Orazem & Thomas Lück öffnet sich im Fußboden ein Stück Himmel, durch das schwerelos ein Kubus gleitet. Noch scheinen die Holographiker nicht ohne Zitate der klassischen Raumordnung auszukommen, um deren verlorene Gültigkeit zu demonstrieren. Einen Hexaeder, seit der Renaissance Symbol für den Stein der Weisen, lassen Orazem & Lück über ein perspektivisches Liniennetz schweben, die Überwindung alter Raumordnungen heraufbeschwörend. Dieses Hologramm ist geschmackvoll eingearbeitet in ein Lichtobjekt im Stil einer coolen Fernsehleuchte und »Günther Fielmann, dem Mann des Jahres 1989«, gewidmet.

Ein Strahlemann mit kriminellem Touch

Fielmann, aus dessen Sammlung die Ausstellung stammt, produziert sich als Sponsor der durch den Gebrauch der Lasertechnik nicht gerade billigen Kunst der Holographie. Chef der größten Kette von Optikerläden in Deutschland, ist er zum Held der Gazetten avanciert und mimt seit fast zwanzig Jahren erfolgreich die Rolle des konsumentenfreundlichen Unternehmers, betriebsinternen Demokraten, des Biobauern und Kunstsponsoren. Daß ihn die jüngste Reportage des 'Spiegels‘ mit einem kriminellen Touch versieht, verleiht dem Profil des Strahlemanns etwas Tiefe, sozusagen ein holographisches Schillern. Nicht zufällig engagiert er sich für eine Kunst, die als Nebenprodukt einer Technik abfällt, der in Materialprüfung, Sicherung und als Speichermedium noch neue Anwendungsgebiete offenstehen. Nicht zuletzt steht ihre werbegerechte Vermarktung an: die Vision vom holographischen Firmenschriftzug, den die Passanten von Fielmanns Imperium zu durchwandern haben, schmückt die letzte Seite seines Ausstellungskurzführers. Bis dahin aber wird noch in firmeneigenen Galerien über den Umweg der Kunst das Image poliert. Die Ausstellung in der Akademie der Künste Ost ist als flankierende Maßnahme zu seiner Strategie der Eroberung der neuen Märkte zu sehen; schon hat er östliche Kassenkunden mit dem Nulltarif umworben. Die Akademie nahm in einer schwachen Stunde der mangelnden Perspektiven Fielmanns Ausstellungsangebot gerne an, zumal die holographische Technik, ob ihrer real nicht existierenden Ergebnisse verdächtig und als kapitalistischer Luxus erkannt, auf die Neugierde der Nachholbedürftigen rechnen konnte.

Räume aus Licht — Arbeiten internationaler Holographie-Künstler aus der Sammlung Fielmann, Akademie Galerie Marx-Engels-Platz 7 (Marstall), bis 17. Februar geöffnet Di. bis So., 10-18 Uhr.

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