piwik no script img

Heuchelei der Staatsführung

■ Interview mit Nicky Kelly, einem Opfer irischer Justiz INTERVIEW

taz: Inwieweit ist die irische Regierung wegen Eures Falles gelähmt, sich aktiver für die Freilassung der Birmingham Six einzusetzen?

Kelly: Die Ähnlichkeiten in unserem Fall und dem der Birmingham Six, besonders was das Denning-Urteil angeht, hindern die irische Regierung natürlich an einer entscheidenden Intervention für die Birmingham Six. Ich war mir von Anfang an der Heuchelei der Dubliner Regierung bewußt. Die britische Boulevardpresse hat versucht, das auszunutzen. Verschiedene Blätter, wie die 'Sun‘, wollten mich interviewen, um das gegen die irische Regierung und letztendlich auch gegen die Birmingham Six auszunutzen.

Warum hast Du Dich 1978 vor der Urteilsverkündung aus Irland abgesetzt, obwohl Deine Mitangeklagten im Land blieben?

Ich sah nicht ein, warum ich mich nach Einführung der Notstandsgesetze gegen Terrorismus, die 1976 in Irland verabschiedet worden waren, für etwas verurteilen lassen sollte, das ich nicht begangen hatte. Ich war in den USA bei einer Expertin für die Opfer von Folter in Behandlung. Sie hat bei mir ein schweres Trauma festgestellt, das durch die Prügel der Polizei ausgelöst worden war.

Wie schätzt Du die Aussichten ein, daß die Zivilklage gegen die Polizei zugelassen wird?

Ich werde bei dem Prozeß unter anderem von Lord Gifford vertreten, der die Birmingham Six bei der Berufungsverhandlung 1987 verteidigt hat. Falls ich verlieren sollte, gehe ich vor den Europäischen Gerichtshof. Ich hatte bereits 1983 dort Klage eingereicht. Meine Anwälte waren damals Mary Robinson und Kevin Boyle, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation 'Article 19‘. Die irische Regierung hat das Verfahren jedoch verhindert, weil ich die vorgeschriebene Frist von sechs Monaten nach dem irischen Urteil um 29 Tage überschritten hatte. Falls es diesmal zum Prozeß vor dem Europäischen Gerichtshof kommen sollte, müßte ich leider auf meine Anwältin Mary Robinson verzichten, weil sie Ende vergangenen Jahres zur Präsidentin Irlands gewählt worden ist. Interview: raso

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen