: Neue Decke für Philharmonie
■ Bausenator Nagel sprach Machtwort: Der weltberühmte Konzertbau am Kemperplatz erhält eine neue Saaldecke/ Ab März 1992 wieder Konzerte
Tiergarten. Wenn schon, denn schon: Die Philharmonie am Kemperplatz erhält nun doch eine neue Decke. Bausenator Nagel (SPD) hat sich allen Unkenrufen zum Trotz gegen eine Sanierung der maroden Originaldecke des weltberühmten Konzertgebäudes von Hans Scharoun entschieden. Ausschlaggebend seien Sicherheitsbedenken gewesen.
Nagel setzt sich damit über die Argumente der Erneuerungsgegner hinweg, die ästhetische und akkustische Bedenken vorgetragen haben und eine Sanierung der bestehenden Substanz verlangten. Geld spielte dabei eine untergeordnete Rolle: Die Kosten der »behutsamen Erneuerung« (Nagel) werden auf 3,9 Millionen Mark veranschlagt, die Sanierung kostete nach Berechnungen ihres Hauptbefürworters, des Architekten Wisniewski, 3,8 Millionen.
Nagel sprach nun ein riskantes Machtwort. Zum einen setzt er sich dem Zorn der Verehrer des berühmten Architekten Scharoun aus. Zum anderen muß der Bausenator (»Ich spiele selbst Violine«) befürchten, daß er gnadenlos zum Buhmann gemacht wird, sobald die ersten Noten im wiedereröffneten Saal erklingen. Dann nämlich, wenn Feuilletonisten, Musiker, echte und selbsternannte Musikexperten vermeintliche oder tatsächliche Mißtöne im hochsensiblen Konzertsaal erlauschen. Vorsorglich hat man deshalb schon jetzt die gesamte Decke mit Laser akkustisch vermessen.
Hätte sich der Senator jedoch in der Frage Sanierung oder Erneuerung anders entschieden, wäre er leicht zum Schuldigen geworden, hätte sich die Decke erneut gelöst. Klar, daß sich Nagel nach allen Seiten absicherte. Auf einem großen Expertenhearing der Akademie der Künste am Sonntag kamen vom Stukkateur bis zum Chefdirigenten Claudio Abbado noch einmal alle zu Wort. Diskutiert wurden Gutachten für Erneuerung oder Sanierung. Letzteres stammte von Scharoun- Mitarbeiter Wisniewski, der sich — wie auch der Landeskonservator — nicht durchsetzen konnte.
Nagel folgte einem Obergutachten von Professor Max Setzer, der ausführte, daß die Sanierung nicht nur teurer, sondern auch länger dauern werde. Zudem blieben beim Sanierungskonzept Sicherheitsfragen offen. Forsch zeigte sich der Maestro: Claudio Abbado setzte sich über alle bautheoretischen Diskussionen über die alte Decke hinweg und verlangte, man möge möglichst kurzfristig »den Grundstein für eine neue Philharmonie legen«.
Wenn terminlich alles gut geht — dafür wollte sich der Senator »nicht hundertprozentig« verbürgen —, werden schon in 13 Monaten die ersten Symphonien wieder am Kemperplatz erklingen. Bis dahin soll nicht nur die Deckenerneuerung, sondern es sollen auch alle anderen Baumaßnahmen am Gebäude inklusive Asbestsanierung beendet sein. Kosten insgesamt: 30 Millionen Mark. -tom-
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