Die Logik des Kalten Krieges bleibt gültig

■ Der Golfkrieg und die „Geisel Natur“

Die Tatsachen sind bekannt: Ölpest im Persischen Golf, die ersten Ölquellen brennen in Kuwait. Bekannt ist auch die Drohung des Irak, alle Ölquellen Kuweits in Brand zu stecken — bis jetzt aber werden daraus keine Schlußfolgerungen gezogen. Ich sehe nur die eine: sofortiger Abbruch der Kampfhandlungen seitens der USA und ihrer Verbündeten, um der ökologischen Katastrophe, die schon stattfindet, der Ölpest wirksam begegnen zu können, und um die noch größere, die Klimakatastrophe abzuwenden, die die ganze Welt in Mitleidenschaft zu ziehen droht. Dabei muß es völlig nebensächlich bleiben, daß die Fachleute das Ausmaß der möglichen Schäden unterschiedlich bewerten, denn niemand ist wirklich in der Lage, so etwas noch nie Dagewesenes vorher exakt einzuschätzen.

Die brennenden Ölquellen, das ins Meer geleitete Öl haben ausreichend klar gemacht, wozu der Irak fähig ist, wozu Saddam Hussein entschlossen sein könnte: dazu, den Krieg um ganz neue Dimensionen auszuweiten. Dimensionen, die nicht mit einem neuen Schlagwort, wie dem des „Öko-Terrorismus“, begreifbar zu machen sind, weil man die Methoden der Terrorismusbekämpfung nicht darauf anwenden kann. Die „Geisel Natur“ kann nicht mit Waffen aus der Gewalt des Verbrechers Hussein befreit werden. Die Gefahr, die sich aus der Drohnung des Irak ergibt, ist zumindest von der anderen Seite unterschätzt, wenn nicht übersehen oder verdrängt worden. Die Amerikaner haben sich verrechnet, wenn sie lediglich Truppenstärken, Panzer, Kanonen und Flugzeuge gezählt haben und auf ihre technologische Überlegenheit spekulierten. Auch ein nicht-militärisches Mittel wie das Öl kann als Waffe eingesetzt werden. Diese neuen Dimensionen des Krieges, die in ihren Auswirkungen die ganze Welt bedrohen, stellen den ganzen Sinn und Zweck dieses Unternehmens im Namen des Völkerrechts in Frage. Der Krieg verliert seine Berechtigung, die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nicht mehr gewahrt. Krieg kann in diesem Fall nicht ein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein. Dies ist keine Polizeiaktion mehr, eine neue Weltordnung, die auf Recht und Gesetz aufbaut, ist doch noch nicht in Sicht. Die Logik des Kalten Krieges bleibt immer noch gültig: Gegen einen Gegner, der über ein Vernichtungspotential verfügt, das die ganze Welt bedroht, kann kein Krieg mehr geführt werden — andere Mittel der Konfliktbewältigung müssen angewendet werden. Das Vernichtungspotential des Irak, wenn man es nicht nur auf das rein Militärische beschränkt sieht, ist zu gefährlich für unsere Welt.

Die Schwierigkeit besteht darin, daß sich die USA so tief in dieses militärische Abenteuer verstrickt haben, und nun von ihnen verlangt werden muß, nachzugeben, die Verfolgung der gesetzten Kriegsziele aufzugeben. Die USA müssen vor der rohen Gewalt, vor einem zu allem entschlossenen Gegner kapitulieren — nicht weniger muß von den USA als der Hauptmacht der alliierten Streitkräfte gefordert werden. Wieder einmal steht (wie in Vietnam) das Ansehen dieser Supermacht auf dem Spiel, doch dies gilt auch anders herum für den schlimmsten Fall einer ökologischen Katastrophe, an der sich die USA mitschuldig machen würden: Ein Land, das zur Durchsetzung seiner Ziele solche Risiken eingeht, kann nicht Führungsmacht bleiben. Die Regierung der USA muß zur Vernunft gebracht werden, zu einer neuartigen, einer ökologischen Vernunft, die über eine politisch oder militärisch verengte auch im Kriege hinausgeht. Vom Irak ist nicht zu erwarten, daß die Regierung einer solchen Ratio zugänglich wäre. Doch auch was die USA betrifft, sind leider erhebliche Zweifel angebracht. Ein Krieg ist immer leichter begonnen, als beendet. Auf die Einsicht in die neu entstandene Lage durch die Regierung der USA selbst kann nicht mehr gewartet werden, dem muß duch stärksten internationalen Druck nachgeholfen werden. Wir müssen von unserer eigenen, der deutschen Regierung verlangen, daß sie ihren Einfluß auf allen Ebenen und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln geltend macht. Das ist auch die einzige Chance der Bundesregierung, dafür zu sorgen, den Fall einer ökologischen Katastrophe politisch zu überleben. Die Legitimität dieser Regierung ist jetzt schon in Frage gestellt, weil sie sich als unfähig erwiesen hat, die Gefahren dieses Krieges zu erkennen und ihnen zu begegnen. Die Warnungen dürfen jetzt nicht mehr überhört werden. Florian Havemann

Der Autor ist Maler und lebt in Berlin-Kreuzberg