: The Kliek
■ Das Unglück der späten Geburt
Was erzählte doch noch der olle Ray Davies von den Kinks in diesem Interview mit John Peel? »Die Kinks waren davon besessen neue Stile und neue Sounds zu erfinden. Aber in den späten Sechzigern verloren wir die Kontrolle, die Zeit verging und andere Bands überholten uns. Ich habe mich über Jahre hinweg gefragt, was falsch gelaufen war. Aber letzten Sommer war ich in Amsterdam im Milky Way und sah ein paar Kerle von dort auf der Bühne. Sie nannten sich The Clip oder The Kliek oder so. Zu meiner Überraschung fingen sie an diesen Beat zu spielen, den wir vor so ungefähr 25 Jahren gespielt hatten. Aber es war überhaupt nicht wie diese MTV-Bands, die einfach unsere Frisuren und unsere Klamotten imitierten. Diese Typen waren in der Lage die originale Athosphäre zu kreieren. Sie hatten so viel Power und Enthusiasmus als hätten sie die Musik gerade am Tag zuvor erfunden. Und als sie 'When I See That Girl of Mine‘ spielten lief es mit kalt den Rücken runter und ich dachte: Scheiße Ray, du hast alles falsch gemacht. Wenn die Musik Sinn macht, kann sie niemals altmodisch sein. An diesem Abend habe ich mir gewünscht, ich könnte alles nochmal machen. Ich liebe diese Typen dafür.«
So also haben The Kliek aus Amsterdam Herrn Ray Davies aus England eine späte Genugtuung verschafft. Wie sich die Musik dazu anhört, kann sich jeder selbst zusammenreimen. Da stimmt jeder Ton, jedes Break sitzt an der richtigen Stelle, der Sound auf der Platte ist authentisch verkratzt und die Cover-Gestaltung zeigt völliges Traditionsbewußtsein — solche Farben gibt es heute eigentlich gar nicht mehr.
The Kliek versuchen gar nicht erst neu und innovativ zu sein, sie leben in den 60ern, lieben ganz offensichtlich die Kinks und all den Kram und lassen sich ihre Haare schön knapp über die Augen wachsen. Sie wollen nichts wissen von all dem neumodischen Psychedelia-Müll, von irgendwelchen Versuchen diese Musik in die Neuzeit zu überführen. Sie interessieren noch nicht mal all diese 60ies Grapen-Punk-Kombos, die nur eine Single gemacht haben und so gerne ausgegraben werden. Damals gab es nur die Kinks, gab es nur die Charts und das Wort »underground« stand nur für die U-Bahn — so sehen sie es. Sie fanden das Damals, so wie sie es sich vorstellen, gut, also machen sie es nach.
Und was soll man schon dagegen haben, denn wer mag nicht alles zwischen »Stop Your Sobbing« und »You Really Got Me«. The Kliek machen für uns, die wir das Unglück der späten Geburt auf unseren vor Trauer gebeugten Schultern tragen, den Affen, damit wir überprüfen können, ob uns Eltern damals was erlebt oder was verpaßt haben. Du kannst zwar auch danach tanzen und eine gute Zeit haben, vielleicht sogar eine sehr gute Zeit, aber wenig mehr als Geschichtsunterricht ist es nicht. to
Um 22 Uhr im K.O.B.
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