Kongreßzentrum: Weitere Kostenexplosion

■ Gutachter: Jährliche Kosten 2,5 Millionen statt 350.000 / Parkplätze unberücksichtigt / Parlament getäuscht?

„Ein Faß ohne Boden“, so charakterisierte gestern der Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Paul Tiefenbach neue Kostensteigerungen, die im Zusammenhang mit dem Kongreßzentrum wahrscheinlich entstehen werden. Vor etwa einem Jahr mußte der Senat zugegeben, daß das Veranstaltungszentrum auf der Bürgerweide mit 100 Millionen Mark doppelt so teuer wird wie geplant. Nun scheint es, als würden weitere Kosten in Millionenhöhe entstehen.

Der Grund dafür: Wieder einmal hat der Senat bei seiner Kalkulation kräftig neben der Realität gelegen, dieses Mal vor allem bei der Prognose der laufenden Kosten. 50.000 Mark waren für Gas, Wasser und Heizung und 300.000 Mark für die sonstigen Unterhaltungskosten angesetzt worden. Doch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Fides kommt im Auftrag des Aufsichtsrats der Stadthalle auf ganz andere Summen. Für Gas, Wasser und Strom werden jetzt 600.000 Mark, für die sonstigen Kosten bis zu zwei Millionen Mark eingesetzt. Ein Gutachten, das der Wirtschaftssenator in Auftrag gab, soll in der Tendenz zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Punkt zwei bei den nichteinkalkulierten Kosten: Inzwischen haben der künftige Pächter des Kongreßzentrums, Maritim, und das Bauressort bemerkt, daß die Parkplätze auf der Bürgerweide nicht das ganze Jahr über zur Verfügung stehen. Während des Freimarktes oder des Sechstagerennens beispielsweise fehlen die 348 Parkplätze, die für das Kongreßzentrum bindend nachgewiesen werden müssen. Auch hier könnten weitere Kosten von mehr als drei Millionen Mark entstehen.

Kostenrisko Nummer drei: Wie Radio Bremen berichtete, sind erst 70 Prozent der Bauaufträge bislang vergeben. Seit der Kalkulation der 99 Millionen Mark Baukosten sind die Baupreise aber bis zu 10 Prozent gestiegen. Dies könnte rein rechnerisch eine weitere Kostensteigerung von bis zu drei Millionen Mark bedeuten. Im Widerspruch dazu steht allerdings eine Mitteilung an den Senat, in der vor kurzem berichtet worden war, daß mit weiteren Kostensteigerungen beim Bau nicht zu rechnen sei.

Einen erklecklichen Verlust weit über dem kalkulierten Rahmen wird auch die Stadthalle zu tragen haben. Der Grund: Zuschauermindereinnahmen wegen des Baus und eine Regreßforderung des Messeunternehmers Heckmann. Dieser konnte für die Hafa vertraglich zugesagte Leistungen nicht im Anspruch nehmen. Beides zusammen ergibt nach Rechnung der Stadthalle einen Verlust von 5,608 Millionen Mark. Nicht kalkulierbare Mehrkosten werden der Stadthalle auch entstehen, wenn das Kongreßzentrum nicht ausgelastet ist, um kostendeckend zu arbeiten. Die der Betreibergesllschaft Maritim entstehenden Kosten müßten dann zum Teil übernommen werden. Das Urteil der Wirtschaftsprüfer: „Eventuelle Belastungen der Stadthalle sind nicht berücksichtigt worden.“

CDU fordert Konsequenzen

Die Grünen vermuten, daß es insgesamt um zusätzliche Kosten von acht bis 10 Millionen Mark geht. „Der Skandal um die Kostenexplosion beim Kongreßzentrum nimmt immer größere Ausmaße an.“ So kommentierte gestern die CDU eine Veröffentlichung des Weser-Kurier. Die Zeitung hatte aus dem Bericht des Rechnungshofes zitiert, der der Baubehörde zur Stellungnahme vorliegt. Darin wird festgestellt, daß die Statikprobleme, die den Bau um 13 Millionen Mark verteuert hatten, bereits seit dem Februar 1987 bekannt gewesen waren. Kommentar der Rechnungsprüfer: „Für die Ermittlung der Kosten war über mehrere Jahre das Ziel nicht die Ermittlung realistischer Baukosten für ein jeweils geplantes Bauwerk, sondern die Einhaltung eines Kostenlimits.“ Daraus folgert der CDU- Abgeordnete Reinhard Metz: „Wenn sich jetzt bestätigen sollte, daß der Dortmunder Statiker Prof. Polony im Februar 1987 feststellte, daß die Hallen II und III im Rahmen der Neubaumaßnahmem abgerissen werden müßten, wäre die Bürgerschaft ein weiteres Mal getäuscht und zu in der Sache nicht gerechtfertigten Beschlüssen gedrängt worden.“ Die CDU hat für die nächste Bürgerschaftssitzung eine Aktuelle Stunde beantragt und gefordert, daß die Irreführungen Konsequnzen haben müßten.

In der Bürgerschaft wird der Senat auch erklären müssen, warum er den Rechnungshofbericht weiter zurückhält, obwohl dessen Präsident gegenüber Abgeordneten die Bereitschaft äußerte, den Bericht zu veröffentlichen. hbk