: Majors Kriegskabinett entgeht knapp Anschlag
Dublin/London (taz) — Der Amtssitz des britischen Premierministers John Major in der Downing Street ist gestern durch einen Mörserangriff erheblich beschädigt worden. Bei dem Anschlag wurde ein Bürobote durch Glassplitter leicht verletzt. Das vierköpfige Kriegskabinett, das unter Majors Vorsitz in der Downing Street Nummer 10 tagte, kam dank der Bombenschutzgitter vor den Fenstern mit dem Schrecken davon. Obwohl sich bis Redaktionsschluß keine Organisation zu dem Anschlag bekannt hat, gab die Anti-Terrorismuseinheit von Scotland Yard in einer Pressekonferenz bekannt, daß es sich bei den Tätern um Mitglieder der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) handle.
Kurz nach zehn Uhr Ortszeit stoppte ein weißer Ford-Lieferwagen in Whitehall an der Ecke des Verteidigungsministeriums. Zwei Männer sprangen aus dem Wagen und liefen weg. Wenige Sekunden später schossen drei Mörser durch das Dach des Lieferwagens, der in Flammen aufging. Die Mörser landeten in den Gärten der 500 Meter entfernten Downing Street. Es explodierte jedoch nur einer der Sprengkörper. Da die Polizei weitere Explosionen befürchtete, wurde das gesamte Viertel evakuiert.
Es war das erste Mal, daß bei einem Anschlag in Großbritannien Mörser benutzt wurden. In Nordirland hat die IRA seit Mitte der achtziger Jahre bereits über 350 Mörser eingesetzt. Dabei kamen zwölf Polizisten ums Leben. Der gestrige Anschlag im Zentrum Londons hat das Innenministerium sowie Scotland Yard in Verlegenheit gestürzt. Er stellt einen bedeutenden Propagandaerfolg für die IRA dar, zumal die Sicherheitsvorkehrungen im Regierungsviertel seit Beginn des Golfkriegs in bisher beispiellosem Umfang verstärkt worden sind.
Der Leiter des Oberhauses und ehemalige Innenminister David Waddington sagte gestern: „Wir haben bisher Glück gehabt. Ein Mörserangriff hätte auch früher schon passieren können. Die Polizei hat alles in ihrer Macht stehende getan, aber man kann nie genug tun.“ Der Nordirland-Sprecher der Regierung, Ivor Stanbrook, forderte größere Vollmachten für die Polizei. Sein Parteikollege Ivan Lawrence sagte, durch den Anschlag sei die Internierung irakischer Staatsangehöriger in Großbritannien nachträglich gerechtfertigt worden: „Es beweist, was passieren kann, wenn man Terroristen frei herumlaufen läßt.“ Ralf Sotscheck
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