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Polens Presse kommt nun unter den Hammer

107 Titel des ehemaligen Konzerns RSW der Kommunistischen Partei wechseln den Besitzer/ Marktbeherrschung soll vermieden werden/ Gekämpft wird mit Haken und Ösen/ Bei der Versteigerung spielt die Politik eine wichtige Rolle, der Zuschlag erfolgt auch nach pluralistischen Gesichtspunkten  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann „Wir wollen ungarische Zustände, einen unkontrollierten Ausverkauf an Ausländer, auf jeden Fall vermeiden“, versichert Andrzej Notkowski, Pressehistoriker und Sprecher der RSW-Liquidierungskomission, die den Pressekonzern RSW verwaltet, der einstmals der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei gehörte. RSW, praktisch Monopolist auf Polens Pressemarkt, wurde nach der Auflösung der Arbeiterpartei verstaatlicht, die einzelnen Verlage und Zeitungen sollen nun versteigert werden. Einige davon wurden bereits Redaktionsgenossenschaften übertragen, andere wenige blieben Eigentum der Regierung, 24 sind schon unter den Hammer gekommen, in zehn Fällen wurden die Offerten bereits geöffnet, der Rest kommt in Kürze an die Reihe.

Politischer Medienpluralismus auch Frage des Geldes

Einige der bekanntesten Titel haben bereits neue Eigentümer, so etwa Warschaus auflagenstärkste Boulevardzeitung 'Express Wieczorny‘, der für 16 Milliarden Zloty an die Pressestiftung Solidarność ging, hinter der Walesas „Zentrumsvereinigung“ steht, welche die Übernahme mit Hilfe eines Bankkredits finanziert. Andzej Notkowski: „Wir verhehlen nicht, daß bei der Entscheidung nicht nur wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen. Wir wollen mit der Vergabe an politische Organisationen auch dazu beitragen, eine pluralistische Presselandschaft herzustellen.“ Die politischen Kriterien seien allerdings nur in wenigen Fällen ausschlaggebend gewesen.

Daß die aus der PVAP hervorgegangene Sozialdemokratie der Republik Polen ihre Tageszeitung 'Trybuna‘ und darüber hinaus noch eine lokale und eine Fachzeitung erstehen für insgesamt 1,25 Milliarden Zloty erstehen konnte, lag auch daran, daß es dabei praktisch keine Mitbieter gab. Um Warschaus einzige englischsprachige Wochenzeitung, die auch im Ausland bekannte 'Warsaw Voice‘ bewarben sich indessen drei Investoren. Den Zuschlag bekam die 'Warsaw Voice‘-Aktiengesellschaft, in der eine amerikanisch-kanadische Firma namens Penther Communications International sechzig Prozent und der Chefredakteur samt Redaktion den Rest der Aktien halten.

Ausländische Multis stehen auf der Matte

„Einen Ausverkauf an ausländische Konzerne wie in Ungarn wollten wir ebenso vermeiden wie eine marktbeherrschende Stellung inländischer Betriebe“, versichert Notkowski. Entsprechende Versuche gab es: Vom französischen Hersant-Kartell ist bekannt, daß es sich um die Übernahme von insgesamt 21 Titeln bewarb. Und ein Privatunternehmer aus Zamosc wollte die Lokalpresse in Danzig, Lublin und Zamosc aufkaufen. Ein Joint- venture zu 49 Prozent hat Hersant bereits mit dem Regierungsorgan 'Rzeczpospolita‘ zustande gebracht, ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen mit der Danziger Solidarność zur Übernahme der Regionalzeitung 'Dziennik Baltycki‘ ist bereits registriert.

Über Mangel an Bewerbern kann sich auch die Jugendzeitung 'Sztandar Mlodych‘ nicht beklagen, deren Redaktion im Herbst bereits der Jungpolitiker Krzysztof Krol, Vizeparteichef der nationalistischen „Konföderation Unabhängiges Polen“ (KPN) von der Liquidierungskommission vorgesetzt worden war, worauf die Redaktion geschlossen in Streik trat. Krols Nominierung wurde ausgesetzt, aber KPN bewirbt sich nun als Käufer um die Übernahme der Tageszeitung. Prominente Konkurrenz: Stanislaw Tyminski, der schillernde Kandidat aus dem Präsidentschaftswahlkampf, der dabei mit vier anderen Mitbietern konkurriert, darunter Andrzej Sniecinski, der im Joint-venture mit der französischen „Euroexpansion“ (die unter anderem am westdeutschen Handelsblattverlag Anteile hält) bereits Polens angesehene Bankzeitung 'Gazeta Bankowa‘ herausgibt.

Aufgrund der großen Konkurrenz finden hinter den Kulissen heftige Auseinandersetzungen um die besseren Startchancen statt, angeheizt noch durch die Tatsache, daß die Kommission nicht automatisch dem höchsten Angebot den Zuschlag geben muß. So hatte beispielsweise Lech Walesa erfolgreich für den Verkauf des 'Express Wieczorny‘ an die Solidarność- Stiftung interveniert. Die politisch und wohl auch wirtschaftlich besten Aussichten, Warschaus größte und noch dazu landesweit verbreitete Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘ zu erhalten hat indessen die „Zycie Press GmbH“, ein Joint- venture aus der bisherigen, von der Liquidierungskommission eingesetzten Chefredaktion, Teilen der Redaktion und der italienischen „Societa Televiziva Italiana“, die Rundfunk- und Fernsehsender betreibt und in Sardinien eine Tageszeitung herausgibt. Mitkonkurrenten sind zwei Gesellschaften, die die ehemalige PVAP-nahe Chefredaktion mit Teilen der Belegschaft gründete, zwei Privatunternehmen und ein Firmenkonsortium, an dem der britische Verleger Maxwell beteiligt ist

Für große Aufregung sorgte daher die Meldung einer großen Monatszeitschrift, wonach gegen den sardischen Investor Ermittlungen wegen mafioser Umtriebe laufen sollen. Sowohl Innenministerium als auch Liquidierungskommission dementieren das allerdings. Notkowski: „Ich will gar nicht ausschließen, daß es sich dabei um einen Versuch der Konkurrenz handelt, die 'Zycie Press‘ zu diskreditieren“.

Mit miesen Tricks auf Beutezug

Warszawy‘ mußte auch bereits zweimal wieder abgesagt werden. Das erste Mal im Dezember, als eine Interessenvertreterin der alten Redaktionsleitung behauptete, das Couvert mit ihrer Offerte sei verändert worden, das zweite Mal im Januar nachdem die gleiche Investorengruppe eine einstweilige Verfügung gegen die Versteigerung erwirkt hatte. Begründung: Erst müsse gerichtlich geklärt werden, ob die Rechte am Titel der Zeitung bei der Belegschaft oder der Liquidierungskommission liegen. Notkowski: „Fälle, in denen die Belegschaften behaupteten, sie hätten sich durch jahrzehntelange Arbeit in einer Zeitung das Recht am Titel erworben, hatten wir bereits mehrere. Die Prozesse haben wir bisher alle gewonnen.“ Widerstände gegen die Arbeit der Kommission gebe es bisher vor allem von zwei Seiten: „Von Seiten der Kommunisten, die soviel als möglich von ihrem Besitzstand wahren wollen und von Seiten der Bauernpartei.“

Für Lokalzeitungen kaum Kaufwillige

Abgeordnete beider Parteien haben auch im Parlament bereits vergeblich versucht, das Gesetz zur Auflösung von RSW zu Fall zu bringen. Ziel: Mehr Titel sollen den Belegschaften übereignet werden. In 71 Fällen ist die Kommission dem auch nachgekommen. Prominentestes Beispiel: Die Warschauer Wochenzeitung 'Polityka‘. Notkowski: „Das ist aber nur eine Möglichkeit des Gesetzes, von der wir vor allem dann Gebrauch gemacht haben, wenn ein Titel ohnehin schon defizitär oder wenig rentabel war, sodaß die Zahl der Interessenten gering war.“ Für 19 Lokalzeitungen jener insgesamt 107 zur Versteigerung vorgesehenen Titel gibt es bis jetzt keinen einzigen Kaufwilligen, nicht einmal die Belegschaften haben sich gemeldet.

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