Schneemann und drittes Auge

■ Das »Videofest« der Medienoperative

Das Videofest findet statt. Noch vor drei Wochen drohte nicht nur dem diesjährigen, vierten Videofest das Aus, sondern auch der Bankrott der veranstaltenden Medienoperative. Die hatte nämlich, im Vertrauen auf die bereits zugesagte Förderung des Senats die mit allen finanziellen Verpflichtungen verbundenen Vorbereitungen fast abgeschlossen, als kommentarlos und ohne Vorwarnung die Nachricht von der Kürzung dieser Mittel ins Haus flatterte. Schlechter Stil, befanden Hartmut Horst vom Vorstand der Medienoperative und Micky Kwella, Leiter des Festivals, und konnten mit Druck von Presse und Öffentlichkeit den Beibehalt der Förderung durchsetzen.

Dem Hin und Her um die Kohle fiel ein Bestandteil des Videofests zum Opfer: die Skulpturen des italienischen Videokünstlers Fabrizio Plessi können nun nicht ausgestellt werden. Aber — wie auch in den vergangenen Jahren — gibt es für die FilmFest- und Kinomüden vom 15. bis zum 26. Februar in vier Programmschienen mit rund 200 Arbeiten ein breites Spektrum von Videokunst bis Dokumentation zu sehen.

Pioniere der Videokultur zeigt das Hauptprogramm, beispielsweise Peter Greenaways TV-Dante, elektronische Höllenvisionen von verlorenen Seelen im Inferno. Zbigniew Rybczynski hat Paganinis Capriccio Nr. 24 für Synthesizer neu orchestriert und läßt vor New Yorks Wolkenkratzern ein vervielfachtes Paar in Abendkleidung die klassische Vorlage auch optisch sehr eigenwillig interpretieren.

Schräges und Komisches bieten die Nightflights. In John Lasseters Knick Knack versucht ein Schneemann sich mit allen Mitteln aus seiner Schüttelglocke zu befreien. Hergestellt ist das Clip mittels Computeranimation, die Rechenzeit betrug ein halbes Jahr und kostete rund eine Million Dollar. Ziemlich viel Aufwand für einen fünf Minuten kurzen Witz.

Die Info-Reihe stellt den diesjährigen Gast der Medienoperative vor. Der Videojournalist Jon Alpert ist ein Verrückter, überall dort zu finden, wo er eigentlich nichts zu suchen hat. In Cuba und Nicaragua filmte er zu Zeiten, als sie für Amerikaner Off-limits waren, nach Berlin wird er aktuelles Material aus dem Irak mitbringen. Ob über New Yorks Third Avenue oder die Phillipinen, seine Dokumentationen haben immer die Lebensbedingungen der Menschen zum Thema und sind so wenig spekulativ wie sensationsgeil. Die Kamera scheint auf seiner Schulter angewachsen, sie ist sein drittes Auge. Seit zwanzig jahren produziert er unabhängig und in eigenem Auftrag, inzwischen wurde er für seinen Investigative Journalism vielfach ausgezeichnet, ABC und NBC kaufen heute seine Produktionen.

Neu beim 4. Videofilmfest sind die Akzente. Videoproduktionen von Fernsehsendern wie La Sept aus Frankreich oder Channel 4 aus Großbritannien sollen hier vorgestellt werden, Fachleute vom Videohistoriker bis zum Verleiher miteinander diskutieren. In diesem Rahmen wird auch das Symposion TVideo stattfinden: Die Medienoperative, Jutta Brückner vom Filminstitut der HdK und Angela Hardt, Leiterin der Kurzfilmtage in Oberhausen wollen geladenen Redakteuren von deutschen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehstationen einen zweijährigen Modellversuch für Produktion und Ankauf von Videokunst vorstellen.

Da in den vergangenen Jahren die Räume der Medienoperative in der Potsdamer Straße aus allen Nähten platzten, finden jetzt alle Veranstaltungen in der Akademie der Künste in Ost-Berlin statt. Die Vorführungen werden zentral gesteuert und können wahlweise als Proßprojektion im Saal oder auf Monitoren in anderen Räumen einschließlich des Cafés gesehen werden. Vom Erfolg dieser Veranstaltungen ist dann auch das Fortbestehen des Videofestes abhängig. Existieren konnte es bisher ohnehin nur durch viel Selbstausbeutung, ein Weiterbestehen der Förderung steht — wie die Verhandlungen mit dem neuen Kultursenator — noch aus. blick

Ab 15. bis zum 26. Februar täglich: 12 Uhr Akzente, 18 Uhr Info- Reihe, 20.30 Uhr Hauptprogramm (Wiederholungen 16 Uhr), 23 Uhr Nightflight ; Symposion TVideo 22. bis 24., alle Veranstaltungen in der Akademie der Künste, Robert- Koch-Platz, U-Bahn Nordbahnhof.