piwik no script img

Dreiergipfel schont Moskau

Die Regierungen der CSFR, Polens und Ungarns rücken näher zusammen  ■ Aus Visegrad Tibor Fe'nyi

„Unser politisches Bündnis richtet sich gegen niemanden; unser Ziel besteht darin, die Schritte der drei neuen Demokratien in Richtung auf eine neue Einheit Europas abzustimmen.“ Mit diesen Worten erklärte Ungarns Ministerpräsident Jo'zsef Antall, um was es bei den Gesprächen zwischen den Präsidenten Polens, der Tschechoslowakei und Ungarns am Freitag in Visegrad ging. Daß nicht mehr die Auflösung des Warschauer Paktes diskutiert wurde, löste Zufriedenheit in Moskau aus: Im Kreml hatte man bis zuletzt gefürchtet, die drei Staaten könnten einseitig aus dem Warschauer Pakt austreten. Dies wäre jedoch nur ein demonstrativer Akt gewesen, den die Regierungschefs der drei Länder Gorbatschow ersparten, nachdem er kürzlich selbst die Auflösung des Pakts angekündigt hatte.

Der Ort des Treffens ist mehrfach von symbolischem Wert. Erstens deshalb, weil 1335 auf Veranlassung des Ungarnkönigs Carobert an diesem Ort die Könige von Böhmen, Polen und Ungarn zusammentrafen, um sich gegen die Habsburger zu verständigen. Heute haben die Staatschefs der drei Länder zwar keine Angst mehr vor Wien, wollen aber auch auf jene Tradition hinweisen, derzufolge die Großmächte nach dem Prinzip des divide et impera die drei Länder gegeneinander ausspielten. Die andere Anspielung bezieht sich auf den auf der CSFR- Seite weitergehenden Bau des Wasserkraftwerkes gegenüber Visegrad (genauer: bei Nagymaros), obwohl das Projekt in Ungarn gestoppt worden war, was zu Konflikten zwischen den beiden Ländern führte. Die gemeinsame Erklärung enthält deshalb wegen desungarischen Drucks u.a. auch den Satz, wonach „die Partner in Zukunft auch die ökologische Zusammenarbeit“ auszuweiten gedenken.

Der Erklärung zufolge ist man sich angesichts der gemeinsamen Vergangenheit der drei Staaten auch in den politischen Zielen einig:

die Herstellung der staatlichen Unabhängigkeit, der Demokratie und der Freiheit; die Liquidation jeglicher Erscheinungsform des Totalitarismus; der Ausbau der parlamentarischen Demokratie und des modernen Rechtsstaats; die Schaffung der Marktwirtschaft.

Einem der schwerwiegendsten Probleme in der Region — dem Problem des Nationalismus — sind die Verhandlungspartner ebenfalls nicht ausgewichen: „Aktiv wollen wir zur vollen Entfaltung der Kulturen der verschiedenen Nationen beitragen.“ Es wurde feierlich versprochen, daß keines der Länder den Ausbau der Beziehungen zwischen Staatsbürgern, Kirchen und anderen Organisationen behindern wird. Der freie Fluß des Kapitals und der Arbeitskräfte soll entwickelt werden, was jedoch nach Überzeugung aller erst in fernerer Zukunft möglich ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen