: Über unseren europäischen Tellerrand schauen-betr.: "Was tun, wenn sich 'disire' auf 'fire' reimt?", taz vom 5.2.91
betr.: »Was tun, wenn sich ,desire‘ auf ,fire‘ reimt?«, taz vom 5.2.91
Brief an SFB, Redaktion Radio 4U
[...] Ich konnte Barry Graves nur zustimmen, daß es nicht gerade sensibel ist, nach einer Katastrophenmeldung mit Todesopfern ein Lied wie Freedom von Le Chic zu spielen und möchte eindringlich an Sie appelieren, Ihr »Sendungs-Bewußtsein« als meinungsbildendes Medium in diesem Punkt generell zu überdenken und zu verändern.
Ich schlage Ihnen vor, sich ein Repertoire von Musik, Texten, Gedichten und ähnlichem aus allen Ländern der sogenannten Dritten Welt und von Katastrophen, Unterdrückung und Diskriminierung bedrohten Völkern anzulegen und in Ihr normales Tagesprogramm zu integrieren und andere Kulturen nicht mehr in Minderheitenprogramme abends oder nachts abzuschieben.
Wahrscheinlich werden Sie antworten, daß die Mehrheit ihrer Hörer weder kurdische noch israelische, pakistanische, irakische, lateinamerikanische, indische, chinesische... Lieder, Texte oder Gedichte hören will. Diesbezüglich möchte ich darauf hinweisen, daß gerade auch der Krieg am Golf, das Kurdenproblem, die Palästina-Frage... ein Produkt des gegenseitigen Unverständnisses aufeinandertreffender Kulturen sind. Ihr Tagesprogramm mit vielen aktuellen Beiträgen zur Weltlage ist im Gegensatz dazu ausschließlich geprägt von US-amerikanischer und europäischer Musikkultur. Warum? Unterwerfen Sie sich einem generellen Mediendiktat für westliche Kultur?
[...] Abgesehen vom Krieg am Golf und den davon betroffenen Völkern, läßt sich die Kette von Möglichkeiten, die sich aus einer solchen Programmgestaltung ergeben würde, endlos fortsetzen. Es müßte doch möglich sein, einmal pro Stunde oder zumindest nach Beiträgen über betroffene Länder ein Lied, einen Text oder ein Gedicht (eventuell mit Übersetzung/Interpretation durch eine/n VertreterIn dieses Landes beziehungsweise Volkes) zu senden.
Der Krieg, den wir jetzt haben, macht mehr als deutlich, daß wir endlich über unseren europäischen Tellerrand schauen und uns um Verständnis und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Völkern bemühen müssen. Sonst wird es keine Völkerverständigung und somit auch keinen Frieden auf dieser Welt geben. [...] Jaqueline Pilz, Berlin 41, Sigrid Diebold Berlin 62, Bernhard Kessel, Berlin 41, Kerstin Werner,
Berlin 45
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