Auch im Kosovo knallten die Korken

■ Die albanische Minderheit im jugoslawischen Kosovo ist jedoch in der Frage der Erneuerung gespalten

Die Albaner Jugoslawiens feierten mit, als der Sturz des Enver-Hoxha- Denkmals in Tirana bekannt wurde. Auf dem Campus der Universität Pristina knallten die Korken. Spontane Freudesausbrüche auf der Straße folgten in Tetovo, Pec und vor allem in der Gegend um Pristina. Denn auch im albanischen Siedlungsgebiet Jugoslawiens verfolgt man seit Tagen gespannt die Vorgänge im Mutterland. Doch die zwei Millionen Menschen zählende albanische Minderheit in Westmazedonien und im Kosovo ist gespalten: Die Jugend steht meist auf der Seite der studentischen Rebellen in Tirana, die Älteren und die politischen Führer sind skeptisch über das, was im Mutterland vor sich geht.

Dieser Generationskonflikt wurde Anfang der Woche klar, als sich die albanischen Parteien Jugoslawiens zum Hungerstreik an der Universität Tirana zu Wort meldeten. Dabei gilt zu bedenken, daß in Jugoslawien seit Monaten keine Tageszeitungen in albanischer Sprache erscheinen und Radio Pristina nur noch auf serbisch sendet. In einem recht weltfremd wirkenden Appell des Demokratischen Klubs aus Pristina, einem Dachverband aller jugoslawischen Albanerverbände, schrieben Adem Demaci und Rexhap Qusja: „Wir wollen euch hungerstreikenden Studenten daran erinnern, daß das Ausland, vor allem Albaniens Nachbarn seit langer Zeit daran arbeiten, daß es im albanischen Volk zu Brudermord kommt. Wir fordern euch auf, euren Streik zu beenden und auf Ramiz Alia zu hören und keine politischen Spannungen zu erzeugen.“ Adem Demaci hat als politischer Gefangener 25 Jahre in jugoslawischen Gefängnissen gesessen, und ihm eilt der Ruf voraus, ein „albanischer Nelson Mandela“ zu sein. Doch er ist nicht der einzige, der mit den Entwicklungen in Albanien nicht ganz zurecht kommt. Ibrahim Rugova und Vetno Surroj, Führer des Demokratischen Bundes von Kosovo, hielten sich in Interviews mit slowenischen und kroatischen Zeitungen in den letzten Tagen zurück; beide sprachen davon, daß es unangebracht sei, von einem „stalinistischen Regime“ zu sprechen: Albanien sei ein „spezifisch sozialistischer Staat“ mit „breiter Unterstützung in der Bevölkerung“.

Doch die meisten Kosovo-Albaner sind sehr jung, Folge der Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte; sie denken anders. Sie sehen zwar in Enver Hoxha einen Staatsmann, der Tito und den serbischen Kommunisten getrotzt hat, gleichzeitig aber sein Land von allen modernen Entwicklungen abgekapselt hat. So wandten sich vor allem der Jugendverband des Demokratischen Bundes und die im mazedonischen Parlament vertretene Albanische Partei des Wohlstandes gegen die eigenen Vaterfiguren in der politischen Bewegung. In ihrer Erklärung heißt es, „wir sind nicht so sehr schockiert über das Verhalten der albanischen Regierung gegenüber den gerechten Forderungen der Studenten als vielmehr über das opportunistische Verhalten unserer intellektuellen Führer und Lehrer.“ Skelzen Maliqui, Universitätsprofessor in Pristina, hat für diesen Generationskonflikt seine eigene Erklärung: „Weit schlimmer als das deutsche Volk war das albanische über Jahrzehnte durch Stacheldraht und eine undurchlässige Grenze getrennt. Die Alten verarbeiteten diese unmenschliche Trennung in der Weise, daß sie glaubten, alles müsse im Mutterland besser sein als im entrechteten Jugoslawien. Die Jugend wiederum merkte, daß das offizielle Tirana einen im Stich ließ. Weder durfte man seine Angehörigen besuchen, noch wurde man unterstützt, wenn man in Pristina auf die Straße ging, um Minderheitenrechte von Belgrad einzuklagen.“ Sie seien sich noch fremd, die Albaner jenseits und diesseits des Ohrider Sees, meint Maliqui. Roland Hofwiler