Für die Freiheit in die Wüste

■ Jill Foster wartet auf ihren Mann, Lieutenant Schidlowski auf seinen nächsten Einsatz

“Seit zwei Tagen regnet es. Heute Nacht mußte ich sogar in einem nassen Schlafsack schlafen“, schreibt Michael von der saudi- arabischen Front an seine Frau Jill in Bremen. „Außerdem gibt es hier in den Geschäften keine Süßigkeiten. Da muß ich halt zwischen Mittag und Abendbrot hungern“.

Die Adressatin dieser Zeilen ist Jill Foster, verheiratet mit einem Soldaten der US-Army, derzeitiger Einsatzort: irgendwo in Saudi-Arabien. Während ihr Mann in Kuwait Einsatzpläne schmiedet, lebt sie in Ungewissheit. Die zurückgebliebene Frauen treffen sich regelmäßig in der Garnisonsstadt Garstedt. Dort, in der Kirche der Luis D. Clay Kaserne, wird heute ein „Memorial Service“ für die ersten beiden „gefallenen“, amerikanischen Soldaten abgehalten. Neben dem großen Ankündigungsplakat für den Gottesdienst steht ein Panzer mit überdimensionaler gelber Schleife — das Symbol für eine glückliche Heimkehr.

Getötet wurden die beiden Soldaten „aus Versehen“, durch ein „friendly fire“ vom eigenen Hubschrauber aus. Auf einer internen Versammlung mit den Frauen der Kaserne, hieß es vor einigen Tagen, der „Unfall“ wäre durch schlechte Sichtverhältnisse passiert. „Man hat uns das so erklärt“, sagt Jill Foster. „Ein amerikanisches Militärfahrzeug, ein Bradly Fighting Vehicle, hat bei einer Auseinandersetzung mit irakischen Einheiten einen Hubschrauber um Feuerschutz gebeten. Da es aber dunkel war, haben die aus der Luft danebengeschossen und die eigenen Leute getroffen.“ Außer den beiden Toten habe es noch sechs Verletzte gegeben.

Offizier Iwan Schidowski (31 Jahre) hatte einen „Unfall“ ganz anderer Art. Beim Verladen von Schutzanzügen und Gasmasken geriet er zwischen zwei Lastwagen. Wegen einiger gebrochener Rippen und innerer Verletzungen wurde er daraufhin nach Hause geschickt. „Wenn es mir besser geht, fahre ich selbstverständlich wieder an die Front nach Saudi Arabien“, betont Schidlowski. In dem roten Lübbestedter Backsteinhaus, das ihm die Armee kostenlos zur Verfügung gestellt hat, soll er sich noch einige Wochen bei seiner schwangeren Frau ausruhen.

„Ganz viele Frauen wollten noch schnell schwanger werden, bevor ihre Männer an die Front mußten“, erzählt die Nachbarin. und blickt auf die Flurwand, gegenüber der Eingangstür. Dort hängt ein Hochzeitsbild: Sie in Weiß, er in Uniform. Auf dem Bücherregal stehen Plastikpanzer, Kanonen, Militärmützen und Militärauszeichnungen.

Vor seinem Unfall war Iwan Schidlowski, deren Vorfahren aus Rußland stammen, in der Nähe von Kuwait an der Grenze Saudi-Arabiens bei der Infantrie im Einsatz. „Etwa ab Mitte Februar haben wir den Irak nicht nur aus der Luft, sondern auch vom Boden aus mit Kanonen unter Beschuß genommen,“ erzählt er. Für ihn ist der Golfkrieg ein „gerechter Krieg“, denn Kuwait sei kein Teil des Iraks. „Unser Präsident hat uns den Befehl gegeben und wir sind auf Befehl losgegangen, den Arabern zu helfen.“

Von der Geschichte, den Traditionen und Menschen im Irak weiß Offizier Schidlowski wenig. „In der Schule hat man uns nur beigebracht, daß dort die Zivilisation anfing“, erinnert er sich. Studiert, wie er sich ausdrückt, hat er aber die chemische Kriegsführung seines „Gegners“, während des Iran-Irak-Krieges und beim Einsatz gegen die Kurden. „Es ist zwar schwer, Husseins Psyche zu begreifen, aber ich bin der Meinung, er wird chemische Waffen einsetzen, wenn er will“, meint Schidlowski. Hussein sei ein sehr schlauer Mensch aber auch ein Fanatiker. Deshalb hätte er einen entscheidenen Fehler in seiner Rechnng gemacht. „Erst hat er sich vom Westen alle Waffen gekauft, um stark zu sein, und jetzt wird er vom Westen vernichtet.“

Daß dabei vor allem die Zivilbevölkerung leidet, findet er zwar traurig, aber nicht zu ändern. Schidlowski: „Dann soll doch die Bevölkerung sagen, daß sie das nicht will, das ist nicht meine Sache“. Während des Vietnam- Krieges hätten die Amerikaner ja auch protestiert und den amerikanischen Präsidenten zum Aufhören gezwungen. „Ich trage für den Tod von Irakis keine Verantwortung, Krieg ist Krieg.“ Von Opfern, die bei den Flächenbombardierungen umkamen, hat er zwar gehört, darf aber nichts genaueres sagen. Die meisten seien ohnehin durch „eigene Dummheit“ gestorben. „Einmal hätten die Irakis eine fliegende Tomahawk-Rakete beschossen, und die habe daraufhin ihren Kurs geändert. Das ist aber nicht unsere Schuld, denn unsere Technik ist sehr präzise.“

Ob es richtig ist, daß die US-Regierung nicht auf die jüngsten sowjetisch-irakischen Verhandlungsangebote eingeht, will Schidlowski nicht entscheiden. „Das weiß ich nicht, das kann nur unser Präsident entscheiden. Aber ich denke genauso wie unser Präsident“, sagt er.

Das Leben sei ein nicht endenwollender Krieg, findet Schidlowski. Daß die Menschen High- Tech besitzen und einen hohen Lebensstandard haben, mache sie noch lange nicht zu zivilisierten Geschöpfen. „Psychologisch gesehen, leben wir noch wie in der Steinzeit, und das wird sich auch nicht ändern. In 20 Jahren wird es wieder Krieg geben. Das hört nie auf“, meint der Offizier.

Genauso wie sein Großvater, der nach der russischen Oktoberrevolution nach Amerika floh, hat auch er keine Angst vor Arbeitslosigkeit. Als er vor sechs Jahren freiwillig zur Armee ging, um Berufssoldat zu werden, wollte Iwan Schidlowski damit „unserem Land für die Freiheit danken“. Freiheit gebe es halt nicht umsonst, sagt er, deshalb habe auch schon sein Vater gegen Hitler gekämpft und Berlin befreit. Auch der Kampf gegen Hussein ist für Schidlowski ein Freiheitskampf gegen einen Tyrannen. Der Einsatz sei hoch, aber es lohne sich: „Wenn ich überall hinfahren und tun kann, was ich will, zum Beispiel: mir ein Auto oder ein Haus kaufen, das ist Freiheit.“

Birgit Ziegenhagen