: EG ermittelt gegen Daimler-Schleuderpreis
■ EG-Kommission hat ein Verfahren gegen den rot-grünen Deal mit Daimler-Benz eingeleitet/ Spottpreis könnte dem EG-Recht zuwiderlaufen
Brüssel/Berlin. Die Stadt Berlin ist in den Verdacht geraten, ein knapp 62.000 Quadratmeter großes Grundstück am Potsdamer Platz unter Wert an den Daimler-Benz-Konzern verkauft zu haben (die taz berichtete). Die EG-Kommission leitete am Donnerstag in Brüssel ein formelles Verfahren ein, mit dem sie prüfen will, ob das Unternehmen versteckte, dem EG-Recht zuwiderlaufende staatliche Beihilfen erhalten hat. Daimler will in Berlin seinen neuen, vierten Unternehmensbereich Interservices AG (debis) ansiedeln und dazu auf dem Potsdamer Platz ein Dienstleistungszentrum errichten.
Konkret nimmt die EG-Kommission an dem Quadratmeterpreis von 1.505 Mark Anstoß, für den die Berliner Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen das Grundstück im Mai 1990 an Daimler veräußert hat. Die EG vermutet, daß es sich dabei um einen künstlich gedrückten Preis gehandelt habe, obgleich die Berliner Behörde den Eindruck erweckt habe, es sei der Marktpreis gewesen. Die Kommission teilte mit, daß sie die deutschen Behörden gebeten habe, eine zweite Einschätzung des Grundstückswertes vorzunehmen. »Wir glauben nicht, daß die Senatsverwaltung in diesem Fall bei der Preisfestsetzung deutsches Recht voll befolgt hat«, heißt es in der Brüsseler Erklärung. Insgesamt hat Daimler-Benz für die genau 61.710 Quadratmeter 92,9 Millionen Mark bezahlt.
Der Streit um die Ansiedlung am Potsdamer Platz hatte im vorigen Sommer zu einer schweren Krise des damaligen rot-grünen Senats geführt. Bereits im Frühjahr hatten politische Gruppen aus Ost- und West- Berlin den Platz im Herzen der Stadt besetzt, um gegen die »undemokratische Verplanung« des Geländes zu protestieren. Der Senat billigte den Kaufvertrag im Juni gegen die Stimmen der Alternativen Liste. Umweltsenatorin Michaele Schreyer hatte zuvor sogar mit Rücktritt gedroht.
Sie kritisierte unter anderem, daß der Kaufpreis von 1.505 Mark pro Quadratmeter weit unter dem tatsächlichen Marktpreis liege. Auch werde mit der Festschreibung einer Bruttogeschoßfläche von 265.000 Quadratmetern der städtebauliche Wettbewerb für die Gestaltung des Platzes zur Farce gemacht. Der damalige Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) argumentierte dagegen, der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks. Der SPD-Politiker nannte den Kaufvertrag eine »Schlüsselfrage« für die Zukunft Berlins, weil er Signalwirkung auf andere Unternehmen habe. In dem Dienstleistungszentrum sollen einmal rund 2.000 debis-Mitarbeiter beschäftigt werden. Das Investitionsvolumen des gesamten Daimler- Benz-Konzerns in Berlin bezifferten die Stuttgarter mit rund einer Milliarde Mark. ap/taz
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