: Osthilfe für Ostfirmen
■ Öffentliche Investitionen zweiter Klasse in den fünf neuen Ländern?
Mit seiner Forderung, die in Bonn beschlossenen Finanzhilfen für die neuen Länder vollständig ostdeutschen Firmen zugute kommen zu lassen, geht Heiner Geißler im wahrsten Sinne des Wortes aufs Ganze. Dem Widerspruch zwischen Massenarbeitslosigkeit und ungeheurem Arbeitsanfall will Geißler mit einer rigorosen Änderung der öffentlichen Auftragsvergabe beikommen. Die von der Bunderegierung beschlossene neue Mittelstandsrichtlinie reicht ihm als Zündfunke für einen Konjunkturschub nicht aus. Tatsächlich ist eine Erfolgskontrolle der Richtlinie, die einen Zuschlag für Ostfirmen auch dann ermöglicht, wenn die West-Konkurrenz Leistungen billiger offeriert, erst in ein paar Monaten möglich. Aber ganz so einfach, wie es sich der CDU-Reformpolitiker vorstellt, ist die öffentliche Investitionslenkung nun auch nicht. Denn es geht nicht um die Lieferung von Schreibtischen für die neuen Regierungspräsidien oder Farben für die letzten noch blaßgrünen Polizei-Ladas, sondern in großem Maßstab um High-Tech-Produkte von der Telefon-Vermittlungsstelle bis zum Entschwefelungsfilter, Produkte, die in der DDR auf vergleichbarem oder auf leicht niedrigerem Niveau nicht hergestellt wurden. Auch der Produktivitätsvorteil westlicher Firmen macht Geißler einen Strich durch die Rechnung: Denn immer mehr neigen die Verantwortlichen in den Städten und Kreisen, selbst wenn sie nicht aus dem Westen importiert wurden, dazu, Aufträge etwa über Bauleistungen lieber in die Altländer zu vergeben, einfach, weil sie dann schneller erledigt werden. Am eindeutigsten ist die Situation bei den Planungsdienstleistungen: Hier muß es besonders schnell gehen, und deshalb ergießt sich ein wahrer Auftragsstrom in die westdeutschen und Westberliner Büros.
So hat Geißlers Forderung, so offensichtlich ihre Berechtigung ist, vor allem politischen Charakter. Damit die öffentlichen Aufträge tatsächlich bei den Ostfirmen landen und dort Arbeitsplätze erhalten, müssen die Unternehmen erst modernisiert werden. So beißt sich die Katze in den Schwanz: Zu Modernisierungsinvestitionen in den Ostfirmen kommt es aus Geldmangel nicht. Geißlers Vorschlag macht nur dann Sinn, wenn sich die öffentlichen Auftraggeber im Osten für eine Übergangszeit gleich wieder vom westlichen Effizienz-Standard verabschieden, aber dies müßte Geißler dann auch sagen. Dietmar Bartz
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