„Bittstellerei ist Energieverschwendung“

Iris Blaul von den hessischen Grünen, Aspirantin für das Amt der Sozial- und Frauenministerin, will Frauenpolitik mit „Geld, Macht und Stellen“ aufwerten/ Kein Anhängsel im Sozialministerium/ Ressortzuschnitt sorgte für heftigen Streit  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Da sitzt sie nun, die Spitzenkandidatin der hessischen Landtags-Grünen, Iris Blaul, und hat daran zu tragen, Hoffnungsträgerin der Frauen zu sein. Schmal ist sie, ein Energiebündel mit entschiedener Stimme und Gestik — wenn es ihr um „die Sache“ geht. Das ist ihre Stärke, nicht aber, so ist das bei Frauen eben oft, die großen, spektakulären Auftritte in der Öffentlichkeit und die eloquenten Reden. „So also“, sagt dann auch vor dem Tor des Landtagsgebäudes in Wiesbaden ebenso freundlich wie väterlich-herablassend der Ex-Innenminister der SPD, Horst Winterstein, „so also sieht eine künftige Ministerin aus.“

Nachdem die Fraktion der Grünen ihre internen Streitigkeiten unter den Tisch gestimmt hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß Iris Blaul tatsächlich das Sozialministerium — plus Frauen — übernehmen wird. Etliche Signale aus den abgeschotteten rot-grünen Koalitionsverhandlungen, die kommenden Freitag zu Ende gehen, deuten darauf hin, daß die Sozialdemokraten zumindest einen Teil ihrer bisher unveräußerlichen Domäne an die Grünen abtreten werden. Und da liegt das Problem für Iris Blaul. Zum einen liefen Frauen in den letzten Wochen Sturm gegen die Pläne einiger grüner MinisteraspirantInnen, das Frauenministerium der Sozialdemokratie zu überlassen und dafür „was Besseres“ einzuhandeln. Iris Blaul hatte dabei eine parteiinterne Hetzkampagne durchzustehen, die sie aber offensichtlich eher beflügelte und aus der Defensive lockte. Zum anderen wandten sich die Frauen dagegen, die Frauenpolitik als Teilbereich im Sozialen einfach untergehen zu lassen.

Sie sei es gründlich leid, sagt Iris Blaul, und sticht mit der Gabel energisch in ihr indisches Reisgericht, daß Frauen sich immer wieder der Effektivitätskontrolle ihrer Arbeit unterziehen müßten: „Die Zeit, wo wir uns die Hacken abgelaufen haben, um unsere Interessen durchzusetzen, ist vorbei.“ Frauenpolitik habe in Hessen mittlerweile „eine Geschichte“. Nur durchgesetzt werden müsse sie noch. Und dazu brauche es eben eine Behörde mit „Macht, Geld, Stellen“. Daß das alleine auch nicht genügt, hatten Feministinnen in den letzten Wochen immer wieder problematisiert. Sie warnten davor, die Frauenpolitik, untergemixt in einem grünen Sozialministerium, nur zu einem „Schönheitsfleck, einer kleinen, angeklebten Warze“ werden zu lassen.

Iris Blaul sieht das anders. Sie wolle nicht „untermixen“, sondern „aufwerten“ und in einem künftigen Ministerium „alle frauenrelevanten Bereiche erweitern“. Blaul: „Dann brauchen wir unsere Energie nicht mehr für Vorschläge und Bittstellerei in anderen Ministerien zu vergeuden.“ Daß diese Ochsentouren „keine Strahlkraft nach außen“ hatten, habe schließlich auch die anfangs so optimische Frauenbeauftragte Otti Geschka (CDU) erfahren müssen. Der Idee der frauenpolitischen „Spiegelreferate“ in jedem der wahrscheinlich neun anderen Ministerien erteilt Blaul eine Absage. Das sei eine uneffektive „Kontroll- und Animationsebene“, die sich schnell totlaufe: „Entweder die schmeißen dich mit Akten tot, oder sie geben sie dir nicht.“ Sie dagegen wolle im Ministerium für Frauen und Soziales „Schwerpunkte setzen und durchsetzen“. Wichtig sind ihr die Bereiche Frauenhäuser, Gewalt gegen Frauen, Kinderbetreuung, Pflegebereich. Daß geschlagene Frauen, die im Frauenhaus Zuflucht finden, bisher als Aktenfall nach dem Bundessozialhilfegesetz geführt werden, findet sie schlicht „entwürdigend“. Hier weisungsberechtigt den direkten Zugriff auf das Geld zu haben — ebenso wie für Jugendämter und Asylantenheime — ist eine ihrer Hoffnungen. Aber auch da liegt der Teufel im Detail: „408 Leute im Sozialministerium und auf den oberen Ebenen fast nur Männer!“

Eine kleine Spitze richtet sie gegen die feministischen Theoretikerinnen: „Das Ministerium soll nicht als wissenschaftliches Institut arbeiten, sondern praktisch!“ Dazu müßten auch eigene frauenspezifische Referate für Frauen und Bildung, Wohnen, Verkehrsplanung und Siedlungspolitik her. Außerdem gehöre — ergänzend — in jedes Ministerium eine eigene Frauenbeauftragte mit „mehr Rechten“ und auf kommunaler Ebene in jeden Landkreis „ein starkes Frauenbüro“. Sich mit der alten, grünen Forderung nach Frauenbeauftragten für „jede Kommune über 10.000 Einwohner“ zu verzetteln, hält sie für falsch: „Die scheitern doch oft schon am örtlichen Bürgermeister.“

Mit Sorge sieht sie den Trend der Politik, vor allem in den neuen Bundesländern, im Bereich Frauenpolitik zu sparen und möchte deshalb gerne die Grünen im Bundesratsministerium sehen. Auch in Zeiten des „mageren Haushaltes“ müsse die Parität gewahrt bleiben.

Und dann ist sie doch wieder ganz die gute Hausfrau und zerbricht sich den Kopf darüber, woher das Geld dafür kommen soll. Beliebt wird sie sich in den Verwaltungen nicht machen, wenn sie das Verschleudern landespolitischer Mittel in den verschiedensten Behörden laut benennt. Aber das war schon beim Aufdecken des hessischen Diätenskandals 1988 nicht ihr Problem.

Siehe auch Seite 10