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Urlauben mit besonderen Ansprüchen

■ Pfadfinder suchen neue Form des sanften Tourismus / Altes Land statt Alpen

Jürgen Seevers (42) vom Bund Deutscher PadfinderInnen (BDP) ist Befürworter einer besonderen Art des sanften Tourismus. Sein Leitsatz: „Allen soll's gut gehen, den Reisenden, Bereisten und der Natur.“ Deswegen reicht ihm auch manches nicht, was die „alternativen Reiseveranstalter“ so anbieten. Vor kurzem hat der BDP eine Broschüre herausgegeben, in der die Vor- und Nachteile des sanften Tourismus diskutiert und Beispiele für „Ferien mit Rücksicht auf Land und Leute“ vorgestellt werden.

Bestimmte Formen der Urlaubsgestaltung sind für Jürgen Seevers, der sich von Zeit zu Zeit auch mal einen normal-touristischen Trip nach Amsterdam zugesteht, inzwischen nicht mehr akzeptabel. Dazu gehört Abfahrts-Ski in den Alpen. Skiferien haben die Pfadfinder vor zwei Wintern aus dem Programm genommen. Für die Natur gefährlich sei auch Mountain-Biking, so Seevers. Vor einiger Zeit habe es in Todtmoos im Schwarzwald organisierte Mountain-Bike-Angebote gegeben. Die Folge war, daß bunt gekleidete RadlerInnen „auf den abgelegensten Wegen“ durchs Unterholz brachen und das Wild aufscheuchten. Unerschlossene Gebiete, in die TouristInnen bisher nicht vorgestoßen sind, versuchen die Reise-ExpertInnen vom bremisch-niedersächsischen Landesverband der Pfadfinder grundsätzlich zu meiden.

Aber auch auf den ersten Blick durchaus „alternative“ Urlaubsangebote, wie „die zehntägige Kanutour auf der Dordogne in Frankreich mit wildem Zelten“ reicht Jürgen Seevers nicht unbedingt aus. Das sportliche Erlebnis in den Stromschnellen bedarf für ihn einer Ergänzung durch die Erforschung „Land und Leuten“ entlang des Flusses.

Das was der Pfadfinder-Bund aus der Bremer Heinrichstraße für nahezu ideal hält, beschreibt er in seiner Broschüre „Sanfter Tourismus in Kehdingen — Dokumentation eines Versuchs“. Seit 1988 bereisen Pfadfinder- Gruppen in Zusammenarbeit mit „Arbeitsgemeinschaft Stadt- Land-Ökologie“ das Land Kehdingen nördlich von Stade. Die Vorbereitung ist immer äußerst anstrengend und mit höchsten Ansprüchen verbunden. Am Anfang steht die Kontaktaufnahme mit Einheimischen und die Frage „Was würden Sie uns gerne zeigen?“ In Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen erarbeiten Kehdinger und Pfadfinder zusammen ein Programm.

Auf diese Art und Weise lernen die Jugendlichen und Erwachsenen — das Mitreisen ist übrigens nicht an die Mitgliedschaft im BDP gebunden - Bauernhöfe von innen kennen oder werden von einem Fischer auf seinem Kutter auf die Elbe hinausgefahren. Mitunter organisieren die Pfadfinder während ihres Ferienaufenthaltes auch öffentliche Veranstaltungen — etwa über die Lebensbedingungen der Landfrauen — und laden die Einheimischen dazu ein. So sollen alle auf ihre Kosten kommen: Die Reisenden lernen „Land und Leute“ kennen und die „Bereisten“ fühlen sich nicht als Ausstellungsobjekte im Tourismusgeschäft. och

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