: SPD wird in der Innenverwaltung abgewickelt
■ CDU-Innensenator Heckelmann setzt auf bewährte Hauspolitik: Wer das falsche Parteibuch besitzt, muß gehen/ Abgewickelt wird sowohl in der Innenverwaltung als auch im Verfassungsschutz/ Auch »belastete« Westler gen Osten
Berlin (taz) — Berlin wird zwar rot- schwarz regiert — in der Innenverwaltung soll aber künftig die dunklere Farbe allein vorherrschen. Eike Lancelle (CDU), neuer Staatssekretär des neuen CDU-Innensenators Heckelmann, hat der Abteilung Allgemeine Verwaltung im Innensenat den Auftrag erteilt, alle »personalwirtschaftlichen Maßnahmen« des gehobenen und des höheren Dienstes zu Zeiten des SPD-Innensenators Erich Pätzold »nachzuvollziehen«. Der Sinn dieser aufwendigen Arbeit ist selbst für Behördeninsider nur schwer auszumachen. Sie vermuten allerdings, daß der neu bestellte Senator damit den Nachweis versuchen will, unter der Amtszeit von Pätzold seien ihm nahestehende (sozialdemkratische) Personen im Amte besonders gefördert worden. Eine späte Rache gegen Pätzold, der bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 1989 die verkrusteten Strukturen seiner Behörde mit der Entlassung alteingessener und »belasteter« Beamter aufbrechen wollte? Der Jurist Lancelle war selbst noch unter Pätzold-Vorgänger Wilhelm A. Kewenig (CDU) Abteilungsleiter in der Innenbehörde. Unter Pätzold wurde er zum Referatsleiter heruntergestuft — bis ihn jetzt Heckelmann zum Staatssekretär beförderte.
Geht es nach dem Willen von Heckelmann, werden einige hochplazierte SPD-Mitglieder ihre Posten in der Innenverwaltung räumen müssen. Während die CDU-Fraktion im Rathaus Schmargendorf vor etwa zwei Wochen noch die Kollegen von der Sozialdemokratie auf einen Umtrunk zum Kennenlernen einlud, brütete der Innensenator bereits über seine Aufräumpläne: Gehen soll der SPDler und Leiter der Abteilung Allgemeine Verwaltung, Alfred Fenske, wie auch der Jurist Harald Bode, Leiter der Abteilung III, seinen Schreibtisch räumen soll. Wie aus CDU-Kreisen weiter zu hören ist, soll auch der Chef einer der nachgeordneten Behörden im Innensenat über kurz oder lang gefeuert werden. Wenn sich die Berliner Sozialdemokraten am Wochenende auf ihrem Landesparteitag mit dem weiteren Fortgang der schwarz-roten Koalition beschäftigen, müssen sie sich vergegenwärtigen, daß ihnen das Ressort der Innenpolitik mehr oder weniger vollständig entzogen wird.
Personelle Veränderungen wird es auch in der skandalgebeutelten Berliner Verfassungsschutzbehörde (LfV) geben. Sie soll nach dem Willen Heckelmanns »abgeschmolzen« werden. Mindestens 50 der noch über 300 Planstellen sollen gestrichen werden — so lautet jedenfalls der Vorschlag, den eine »Projektgruppe Aufgabenkritik des Verfassungsschutzes« im Landesamt, bestehend aus einer Handvoll Verfassungsschützer, erstellt hat. Die Fachbereiche des LfV wurden zur Beratung nicht hinzugezogen. Besonders im Bereich der Spionageabwehr soll abgespeckt werden — die zwei Observationsgruppen des Landesamtes sollen in einer zusammengefaßt und deren Personalschlüssel halbiert werden. Als Verlierer sehen sich schon jetzt die vielen Angestellten, die bei einer Versetzung ihre Sicherheitszulage verlieren und besorgt sind, daß die weitere Abwicklung des Verfassungsschutzes nicht sozialverträglich gestaltet wird.
Ausgediente Verfassungsschützer werden aber auch dann nach vorne geschickt, wenn es gilt, die Verwaltungen im Osten und Westen der Stadt »kompatibel« zu gestalten. Landesverwaltungsamtschef Hans- Jürgen Przytarski und sein Referatsleiter Martin Mach wurden von Heckelmann zu den Leitern einer »Projektgruppe zur Planung und Koordination der Ostberliner Bezirksverwaltungen« erkoren, die das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Verwaltungen schnellstmöglichst organisieren sollen. Sie sollen die aufgeblähten Ostberliner Bezirksverwaltungen ebenfalls »abschmelzen«.
Früheren und heutigen Kollegen der beiden mutet es allerdings seltsam an, daß ausgerechnet zwei »hochbelastete« Verfassungsschützern den Ämtern auf die Sprünge helfen sollen. Sie erinnern sich daran, daß Przytarski der schon als Staatsanwalt nahezu keinen der Skandale des Berliner Verfassungsschutzes ausgelassen hat — seinerzeit bei seiner Einstellung als Vizechef des Berliner Landesamtes des Verfassungsschutzes anhand der Aktenlage von leitenden VS-Beamten als Kandidat bezeichnet wurde, dessen Einstellung eigentlich verhindert werden müsse. Martin Mach bewährte sich auf seinem Posten als Büroleiter im Verfassungsschutz als besonders fleißiger Sammler der Schwächen von Behördenmitarbeitern. Sein Glanzstück: Im Auftrag des früheren Amtsleiters Wagner sollte Mach Material über den Landesamtjuristen Dietrich Kitscha zusammentragen. Mit den von Mach zusammengetragenen Unterlagen sollte Kitscha, der seinem Chef mit seiner Vermutung über einen von der Stasi gesteuerten Einbruch in seiner Wohnung auf die Nerven fiel, für verrückt erklärt werden. Wolfgang Gast
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