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: Technokrat gesucht und gefunden

■ Björn Engholm holt sich seinen neuen Bundesgeschäftsführer von der IG Metall

Er müsse nun mal endlich Führung zeigen, war Björn Engholm in den letzten Wochen immer häufiger auch öffentlich gedrängt worden. Insbesondere um die Person des neuen Bundesgeschäftsführers gab es wilde Spekulationen. Nach der kargen Gewerkschafts- und Parteiarbeiterin Anke Fuchs in der Geschäftsführerposition hatten sich die innerparteilichen Wünschelrutengänger offensichtlich auf politische Feinkost gespitzt: Lafontaines Alter ego Reinhard Klimmt, der frühere FDP-Generalsekretär Günter Verheugen und zu guter Letzt der zurückgetretene Frankfurter Oberbürgermeister Volker Hauff wurden unter der Hand aber deutlich favorisiert. Nun ist die Katze aus dem Sack: Karl-Heinz Blessing wird ab Mai nicht mehr Franz Steinkühlers, sondern Björn Engholms „rechte Hand“ sein — hieß das nicht in früheren bildstarken Zeiten Schwerthand?

Die Personalpolitik des engsten Kreises ist ohne Zweifel die erste entscheidende Hürde, die ein Mann an der Parteispitze zu nehmen hat. Der Neue sollte ein Fachmann in Organisation sein — was Blessing bei seinem Noch-Arbeitgeber IG Metall bewies: Besondere Freunde hat er sich mit der Reorganisation dieses Tankers der Arbeiterbewegung in der Hauptverwaltung in Frankfurt nicht gemacht, aber effizienter soll es dort jetzt zugehen. Und Engholm hatte ja schon zu Beginn angekündigt, die Alte Tante SPD würde jetzt auf den Stand eines modernen Unternehmens gebracht. Wie sonst soll er auch mit dem Genossenfilz — so heißen Seilschaften im Westen — fertig werden? Auf der anderen Seite sollte der Neue aber auch nicht zu prächtig sein. Stallgeruch, aber sicher doch — da bleibt Verheugen links liegen. Zu guter Letzt: von Oskar das Programm zu übernehmen — jedenfalls erstmal als Absichtserklärung — das reicht. Seinen engsten Berater aber dauernd auf dem Schoß? Nein Danke. Björn Engholm ist zwar ein Stiller, aber entgegen manchem Journalistenvorurteil offensichtlich durchaus ausgeschlafen. Den Part des Paradiesvogels gedenkt er selbst zu spielen. Da braucht er einen verläßlichen Technokraten. „Unabhängig und loyal“ sind die Adjektive, die Engholm selbst vorgab.

Aber Engholms Wahl offenbahrt nicht nur taktisches Geschick, sondern auch ein Stück strategische Festlegung für die SPD in der neuen Bundesrepublik: Oskars Programm in der Tasche mag ja für westdeutsche Sonntagsreden gut sein, aber einer von Lafontaines dauernden Widersachern aus dem Gewerkschaftslager wird jetzt die Partei durchbürsten! Blessing als einer der Redenschreiber für Steinkühler steht aber auch für einen neoklassenkämpferischen Gewerkschaftsflügel in der SPD. Wenn man bedenkt, daß die nächste Wahl auch für die SPD bei den neuen Wechselwählern im Osten gewonnen wird, scheint Engholms Kalkül klar: Verostung ohne Ossi. Georgia Tornow