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Jugend Ost wird sich selbst überlassen

■ Jugendsenator Krüger ließ sich in Marzahn über die desolate Betreuungs- und Beratungssituation im Jugendamt unterrichten/ Wenig Mitarbeiter, nur ein Telefon und keine Streetworker

Marzahn. Nach seinem Besuch im Marzahner Jugendamt ging Jugendsenator Thomas Krüger erst so richtig auf, was jetzt passiert: Die Schere, die sich im letzten halben Jahr zwischen Bonn und den neuen fünf Ländern aufgetan hat, würde sich jetzt zwischen Ost- und West- Berlin öffnen. Überraschend kommt diese Entwicklung nicht, denn die Probleme in Marzahn sind eine Altlast des Sozialismus, die sich mit den Schwierigkeiten der Übergangszeit momentan erst mal vergrößern.

Die neue Rechtslage in der Familienfürsorge führt in den Jugendämtern, besonders im Marzahner, zu katastrophalen Situationen. Die MitarbeiterInnen werden von ratsuchenden BürgerInnen wegen Anträgen zu Unterhaltszahlungen förmlich überrannt. Vor allem Mütter berichteten dem SPD-Senator, daß sie Stunden anstehen müssen, manchmal nur, um eine Information zu erhalten. Jeden Donnerstag spiele sich das gleiche ab: Die Öffnungszeiten würden um Stunden überzogen und ein Dienstschluß von 22 Uhr und später ist die Regel. Sich die Informationen telefonisch geben zu lassen, ist nahezu unmöglich, da das einzige Telefon im Haus für 90 MitarbeiterInnen ständig besetzt ist.

Oft arbeiten die MitarbeiterInnen bis an den Rand des psychischen Zusammenbruchs, sagte der Amtsleiter Klaus Ziegert. Zur Zeit seien nur die Hälfte der bewilligten Stellen besetzt. Für den Stellenplan wurden Vergleichszahlen mit dem etwa gleichgroßen Bezirk Steglitz herangezogen. Doch in Marzahn leben 69.000 Jugendliche, in Steglitz nur 43.000, die kaum Freizeitangebote in der Umgebung finden. Schon jetzt verzeichnet die Polizei eine ansteigende Jugendkriminalität. Trotzdem wurde dem Bezirk nicht eine Streetworkerstelle bewilligt. »In vier Jahren«, prophezeite eine Abgeordnete dem Senator, »werden die Leute nach der Polizei schreien«. Man müsse jetzt anfangen, diese Entwicklung zu verhindern. Selbst wenn alle Stellen besetzt sind, wird man der Lage nicht Herr werden können, gibt Ziegert zu bedenken. Die MitarbeiterInnen müßten sich in völlig neue Rechtslagen einarbeiten. Zudem fehle das in West-Berlin entstandene Netz von Beratungsstellen und Jugendhilfen in freier Trägerschaft.

Ziegert befürchtet, wenn die Bürger erst anfangen, die Verwaltungsgerichte mit ihren Ansprüchen zu beschäftigen, die ihnen gesetzlich zustehen, werde es für den Senat teurer als den Personalstand aufzustocken. Senator Krüger sprach sich für »flexible Übergangsreglungen« aus. Das hieße angesichts des wesentlich größeren Beratungsbedarfes in Ost-Berlin, eine andere Stellenplannung zu fahren als bisher. Dies jedoch beiße sich, klagte Krüger etwas hilflos, mit der Anweisung, auch im Jugend- und Familienressort des Senates über ein Zehntel der Mittel einzusparen. anbau

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