: Kunden klagen über Stromstöße beim Staubsaugen
Staubsauger beschäftigen mehrere Staatsanwälte/ Schutzgemeinschaft Robin Direkt kämpft gegen Verkaufspraktiken der amerikanischen Firma Kirby ■ Aus Pfaffenhofen K. Wittmann
Renate Hartwig, Gründerin einer Schutzgemeinschaft für Außendienst- und DirektvertriebsmitarbeiterInnen namens Robin Direkt, hat einem amerikanischen Konzern den Kampf angesagt. Wegen der üblen Verkaufspraktiken der Staubsauger- Firma Kirby (The Scott Fetzer Company aus Ohio) habe sie sich dazu entschlossen. „Die verkaufen diesen Staubsauger, der im Einkauf bei Vertragshändlern zwischen 320 und 470 Mark kostet, für rund 2.000 bis 3.000 Mark“, sagt die gelernte Sozialarbeiterin. Zudem sei das Produkt gefährlich: Einige BenutzerInnen hätten beim Staubsaugen Stromschläge erlitten.
Dem Staubsaugerproduzenten wirft die Schutzgemeinschaft, der sich inzwischen mehr als 100 Personen angeschlossen haben, vor, nach dem Schneeballsystem MitarbeiterInnen zu werben und KundInnen gehörig hinters Licht zu führen. Gerade in den neuen Bundesländern würden den BewerberInnen um einen Außendienstposten, so Hartwig, steile Karrieren und schneller Reichtum in Aussicht gestellt: „Wir sind die einzige Firma, die Millionäre züchtet“, lautet ein Kirby-Slogan . Die Vertragsbedingungen, kritisiert die Robin-Direkt-Vertreterin weiter, seien „unerhört“. In der AnlageII zum Systemberatervertrag heißt es beispielsweise unter Punkt4: „Eine Karriere als Kirby-Manager ist nicht möglich, wenn nicht innerhalb von acht Wochen nach Unterzeichnung [...] Minimum drei Mitarbeiter von Ihnen privat für das Unternehmen geworben wurden.“ Gegen diese Verträge hat Robin Direkt bei mehreren Staatsanwaltschaften Anzeige erstattet.
Wegen immer neuer Beschwerden von KundInnen, daß der Kirby Stromschläge verteile, hat Robin Direkt im September 1990 ein Exemplar zur Dekra nach Stuttgart geschickt. Die Prüfstelle für Gerätesicherheit kommt für den „HeritageII“ zum Ergebnis: „Das Gerät, das ein GS-Prüfzeichen trägt, weist zwei erhebliche Mängel auf. Diese stellen eine Gefahr dar, weil die berührbaren metallischen Teile im Schadensfall hätten spannungsführend werden können“, sagt Pressesprecher Volker Dede. „Das heißt auf gut deutsch, es hätte zu einem Stromschlag kommen können.“
Damit kommt die Dekra zu einem völlig anderen Ergebnis als der TÜV-Rheinland, der Anfang März gegenüber der Firma Kirby seine Unbedenklichkeits-Bescheinigung von 1986 erneuerte: „Wir bestätigen Ihnen, daß die im Handel befindlichen Staubsauger der Type 2-HG, Firma Kirby, den zur Zeit geltenden Sicherheitsbestimmungen genügen. Die Prüfgrundlagen haben sich nach der Erteilung der GS-Zeichen-Genehmigung nicht geändert“. Das wiederum nimmt Kirby-Rechtsanwalt Michael Kort zum Anlaß, Robin Direkt eine „Rufmordkampagne, die jeglicher Grundlage entbehrt“, vorzuwerfen.
Beim Landgericht Memmingen hat Kort eine einstweilige Verfügung gegen Robin Direkt beantragt, über die am 27. März verhandelt werden soll. Gestützt auf das TÜV-Gutachten weist Rechtsanwalt Kort den Stromschläge-Vorwurf zurück. „Das einzige, was möglich ist, und was die Kunden möglicherweise in eine Art von Hysterie versetzt haben mag, ist die statische Aufladung in trockenen Räumen, die selbstverständlich bei jedem Gerät, auch beim Auto, bekannt ist.“
Die Kunden, von denen der Rechtsanwalt spricht, haben ihre Berichte über die Stromschläge bei Robin Direkt hinterlegt. „Bis jetzt habe ich 14 Körperverletzungsanzeigen schriftlich vorliegen“, sagt Renate Hartwig, die sich von der Firma Kirby nicht einschüchtern lassen will und die Vorwürfe weit von sich weist, daß es sich bei ihrem Engagement um einen Racheakt gegen die Firma handele, in der ihr Mann zeitweise beschäftigt war.
Vor allem dann, wenn der Kirby- Staubsauger zum Shamponieren oder Sprühen eingesetzt wird — das Gerät wird als Multifunktionsmaschine verkauft, die auch noch sprühen, schleifen und massieren kann —, drohe eine nicht unerhebliche Gefahr, sagt Renate Hartwig.
Die Mehrzahl der Kunden, die sich bei Robin Direkt gemeldet haben, gaben auf Nachfrage an, daß es sich um leichtere Stromschläge gehandelt habe. Ein Kunde aus Aichhalden berichtet jedoch von zwei sehr starken Stromschlägen. So sei er beispielsweise im Wohnzimmer beim Staubsaugen an die Heizung gestoßen: „Da hat's mir einen kräftigen Stromschlag gegeben und die Sicherung rausgehauen. Und am Gerät vorne ist ein richtiges Loch reingebrannt. Auch am Heizkörper sind Spuren zu sehen.“ Und ein Ex-Kirby-Mitarbeiter aus Ingolstadt berichtet: „Beim Shamponieren habe ich einen fürchterlichen Schlag an der rechten Seite bekommen, als ich beim Polieren von PVC-Fliesen mit dem Kirby aus Versehen an die Heizung gestoßen bin.“
Von Kirby-Vertragshändlern war zu diesen Vorgängen keine Stellungnahme zu bekommen. Stattdessen meldete sich nach mehreren Versuchen, den Biberacher Vertragshändler zu erreichen, Rechtsanwalt Kort: „Wir werden selbstverständlich in aller Schärfe gegen Behauptungen vorgehen, die geschäftsschädigend für unsere Mandantin sind.“ Er habe „keinerlei Hinweise“ vorliegen, wonach jemand durch Stromschläge geschädigt worden sei.
Gleichwohl laufen bei mehreren Staatsanwaltschaften Ermittlungen gegen die Firma Kirby. In Darmstadt bestätigte der Staatsanwalt, daß beim Landeskriminalamt Wiesbaden ein Gutachten in Auftrag gegeben worden sei, das Klarheit über mögliche Gefährdungen durch den Kirby- Staubsauger bringen soll. Auch vom Gewerbeaufsichtsamt München- Land ist inzwischen beim Bayerischen Landesinstitut für Arbeitsschutz ein Gutachten bestellt worden. Bis das Gutachten vorliegt, so das Amt gegenüber der Schutzgemeinschaft Robin Direkt schriftlich, könne „in der Zwischenzeit das Gutachten der Dekra herangezogen werden (...), in welchem Mängel und Abweichungen von der Norm festgestellt worden sind“.
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