: Roter Heynckes randaliert in Rage
■ Kaiserslautern demütigt Bayern und erklimmt die Tabellenspitze
Kaiserslautern (taz) — Jupp Heynckes und seine Bayern können im deutschen Südwesten nicht mehr gewinnen. 26.August 1989: 0:1 beim SV Waldhof. 4.August 1990: 0:1 im DFB-Pokal beim Oberligisten FV Weinheim. Und an diesem 23. März gaben die Bayern außer den Punkten auch noch die Tabellenführung an Kaiserslautern ab. Doch, schlimmer noch, Heynckes war auch ein schlechter Verlierer: „Wir sind es ja schon gewohnt, mit zehn Mann zu spielen, aber heute haben wir mit zehn gegen zwölf gespielt, das ist natürlich etwas schwieriger.“
Schiedsrichter Assenmacher solls gewesen sein. Nur Gelb gegen Stefan Kuntz nach einer (angeblichen) Tätlichkeit, aber Rot gegen Bender nach einem vermeintlich harmlosen Rempler brachten Heynckes auf die Palme. Fassungslos stand er da, der Sieger von Porto und Verlierer von Kaiserslautern, mit krebsrotem Antlitz und sprach sich seinen Frust von der Seele.
Kurz vor der Pause hatte sich Heynckes gar persönlich mit einem übereifrigen Ordner angelegt — das Spiel war mehrere Minuten unterbrochen. Der am Boden liegende Kuntz war beim Aufstehen unabsichtlich in den hinter ihm liegenden Manfred Schwabl hineingetreten — Tumulte fast bis zum Faustschlag waren die unerfreuliche Folge, vor allem Heynckes und Hoeneß gerieten vollends aus der Fassung. Dieser Mangel an Souveränität erfaßte in der zweiten Halbzeit die gesamte Bayern-Elf. Weg waren die Überlegenheit und das Selbstbewußtsein, aus wars mit dem Zauber im Mittelfeld und den blitzartigen Vorstößen des Roland Wohlfarth. Nach gelben Karten hatte es in der ersten Hälfte 2:2 geheißen, im zweiten Durchgang dominierten die Bayern klar mit 3:0. Gelb für Schwabl, Rot für Bender und Gelb gegen Jürgen Kohler.
Was macht die Bayern auf dem Betzenberg so dünnhäutig? Nun, in 26 gemeinsamen Jahren gab es auf dem „höchsten Berg der Pfalz“ 13 FCK-Siege, aber auch sieben Unentschieden und sechs Bayern-Erfolge. Umgekehrt sieht die Bilanz der Pfälzer in München weit schlechter aus. Aber es liegt wohl an der Art und Weise, wie die Münchner hier verloren.
Zum Beispiel am 20. Oktober 1973. Da kamen sie mit Maier, Beckenbauer und all den anderen Größen, führten rasch mit 4:1 — und verloren sensationell 4:7. Die Pfalz stand eine Nacht Kopf, und der Berg bebte. Oder in der Saison 77/78, als der dreimalige Europacup-Sieger mit 0:5 unterging. Vor drei Jahren stand der FCK mit dem Rücken zur Wand und rettete sich mit einem 3:1 — gegen Bayern München.
Diesmal jedoch gings um die Tabellenführung. Die Lauterer gönnten den Bayern das erste Tor. Dritte Minute: Bender flankt zu Wohlfarth und dessen Hackentrick tropft vom Innenpfosten ins Netz. Bayern hätte alles klarmachen können, doch Wohlfarth scheiterte später an Ehrmann, Laudrup an Hotic, der den Ball von der Linie schlug. Als dann aber Brian Laudrup in der Kabine blieb und für ihn ein schwacher Sternkopf kam, wurden die Münchner zurückgedrängt, und so kam das 1:1 von Demir Hotic.
Das 2:1 hatte die Pfälzer Dramaturgie erst für die 84. Minute vorgesehen. Scherr erkämpfte sich den Ball in der eigenen Hälfte, lief bis zum Strafraum, paßte zu Winkler, der wohlüberlegt zu Kuntz flankte. Und der ansonsten in die Kritik der Zuschauer geratene und seiner Form hinterherhinkende Möchtegern-Nationalspieler hatte endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis.
Auf den vielen Bummelbahnhöfen zwischen Kaiserslautern und Friedrichshafen gab es bis in den späten Abend hinein einen permanenten Lederhosen-Strip. Friedlich und gewaltfrei wurde er gefeiert, der vielleicht bisher bedeutendste Sieg der pfälzischen (ehemals bayerischen) Provinz über die bayerischen Metropolenkicker. Noch kann niemand wissen, ob der Berg im Juni abermals beben wird. Günter Rohrbacher-List
Kaiserslautern: Ehrmann — Kadlec — Stumpf, Dooley — Scherr, Schupp, Hotic, Haber, Kranz (83. Goldbaek) — Kuntz, Hoffmann (46. Winkler)
Bayern München: Aumann — Reuter — Grahammer, Kohler, Pflügler - Schwabl, Bender, Effenberg, Ziege — Wohlfarth, Laudrup (46. Sternkopf)
Zuschauer: 38.500
Tore: 0:1 Wohlfarth (3.), 1:1 Hotic (60.), 2:1 Kuntz (85.)
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