»Das ist eine Diffamierungskampagne«

■ Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, wehrt sich gegen die Behauptung, mitverantwortlich für den Abriß von Berliner Synagogen in den fünfziger Jahren zu sein

taz: Adass Jisroel zeigt eine Ausstellung über die Zerstörung der jüdischen Stätten in Berlin nach 1945. Die These ist, daß in einem Zusammenspiel von jüdischen Stellen und staatlichen Behörden die Zeugnisse des Berliner Judentums zum zweiten Mal zerstört wurden.

Galinski: Diese These ist eine böse Verleumdung. Wie war denn die Situation nach 1945. Die 6.000 Juden, die in Berlin überlebten oder zurückkamen, waren völlig rechtlos. Alles lag in der Hand der Alliierten. Diese setzten sogenannte Nachfolgeorganisationen für die Vertretung jüdischer Interessen ein. Die Amerikaner hatten in ihrem Sektor die IRSO (Jewish Restitution International Office), die Engländer die JCT (Jewish Trust Cooperation) und die Franzosen die Branche Francais. Nur diese Organisationen waren berechtigt, das ehemals große jüdische Vermögen in Berlin zu reklamieren. Das Vermögen der einstmals hier lebenden 173.000 Juden sollte allen zugute kommen. Vor allem den nach Israel, Nord- und Südamerika ausgewanderten Juden.

Die Nachfolgeorganisationen sollten also das jüdische Eigentum liquidieren?

Ja natürlich. Die weltweite Auffassung war doch, daß es nach der Shoa niemals wieder ein jüdisches Leben in Deutschland geben kann. Mein Vorgänger, Dr. Erich-Hans Fabian, sprach nur von den »Liquidationsgemeinden« in Deutschland. Die IRSO und das JCT verkauften deshalb das ehemalige jüdische Gemeinde- und Privatvermögen an den Senat und an Wohnungsbaugesellschaften.

Wie war Ihre Haltung?

Ich war immer gegen diesen Liquidationsgedanken. Wir haben uns heftig gegen die radikalen Pläne von IRSO und JCT gewehrt. Wir konnten aber nur erreichen, daß wir einen bestimmten Prozentsatz des verkauften Gemeindeeigentums erhielten. Dieses Geld brauchten wir, um die Jüdische Gemeinde wieder neu aufzubauen. Wir teilten nicht die allgemeine Ansicht, daß es niemals wieder ein jüdisches Leben in Berlin geben würde. Neben etwas Geld ist es uns auch geglückt, einige ehemalige Gemeindeobjekte aus der Liquidationsmasse herauszulösen. So konnten wir erreichen, daß wenigstens in jedem Sektor eine Synagoge erhalten blieb. Aber es gab ja auch zu viele Synagogen, bei den wenigen Menschen und sie waren baufällig. Wirklich retten konnten wir wenig. Zum Beispiel aber das Grundstück in der Fasanenstraße. Die Synagoge war baufällig und wurde abgerissen und das Gelände wurde gegen unseren Willen als Bauplatz an den Senat verkauft. Eine Hochgarage sollte hier entstehen. Ich habe mich mit aller Entschiedenheit dagegen gewandt, bei Heuss und Brandt interveniert. Es ist uns gelungen, die Fasanenstraße, heute Sitz des Gemeindezentrums zu erhalten.

Adass behauptet, daß jüdische Funktionsträger für den Abriß von erhaltenswerten Synagogen verantwortlich sind.

Für den Abriß der Synagogen waren die IRSO, das ICT in Zusammenarbeit mit dem Senat verantwortlich. In keinster Weise und in keinem Fall war daran die Jüdische Gemeinde beteiligt. Niemals hätten wir zugestimmt, daß intakte Synagogen abgerissen werden.

Mario Offenberg von Adass Jisroel sagt, daß Sie indirekt am Verkauf des Siegmundshofs beteiligt gewesen sind.

Ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß Menschen, die bisher überhaupt nicht in Deutschland gelebt und denen jegliche Kenntnis über die Vergangenheit fehlt, auf einmal herkommen und jetzt eine Story verbreiten, die nicht den Tatsachen entspricht. Was heute hier entstanden ist, ist unsere Aufbauleistung gewesen. Wo waren denn die Offenbergs die ganze Zeit? Ausschließlich das JCT hat den Siegmundshof verkauft. Wir hatten damit nie das geringste zu tun, denn Siegmundshof war kein Eigentum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Und nur von dem jüdischen Gemeindeeigentum haben wir einen Prozentsatz erhalten. Ich habe den Eindruck, daß hier speziell gegen mich eine Diffamierungskampagne gestartet wird. Interview: Anita Kugler