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Stasi-Mitarbeiter und Unschuldige haben Angst vor Mitarbeiterliste

Neubrandenburg (dpa) — „Kauft nicht beim Stasi“ schrieben Unbekannte an die Schaufensterscheibe des Geschäfts von Bäckermeister Gerhard Israel in Neubrandenburg. „Ich bin aber nie Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen“, empörte sich Israel am Mittwoch.

Daß sein Name in der von der Zeitung 'die andere‘ veröffentlichten Liste führender Stasi-Leute auftauchte, sei auf eine Namensgleichheit zurückzuführen. Sein Geburtsjahr unterscheide sich jedoch von dem seines Namensvetters. Zudem könnten seine Mitarbeiter bezeugen, daß er täglich zwölf Stunden und länger in der Backstube gestanden hat. Als „Hauptamtlicher“ bei der Stasi wäre das wohl nicht gegangen. Er betrachte die Veröffentlichung als „Verleumdung“ und „Geschäftsschädigung“ und werde gerichtliche Schritte einleiten.

Nicht nur Unschuldige wie Gerhard Israel fürchten auf Grund der Veröffentlichung der Namenslisten von ehemaligen Stasi-Offizieren um ihre berufliche Zukunft und um ihre Familie.

Ein ehemaliger Oberleutnant des MfS berichtete der Zeitung 'die andere‘, viele hätten „Angst um ihre Kinder und Frauen“. Viele hätten auch Angst vor „Konsequenzen, was ihren Beruf betrifft, ihre jetzige Tätigkeit“. Bis jetzt hätten sich nur solche Leute als Stasi-Mitarbeiter offenbart, „die auch genügend Persönlichkeit dazu haben“.

Der ehemalige Stasi-Auflöser Werner Fischer befürwortete die Veröffentlichung der Listen. Aber: „Ich denke auch, daß es wichtig ist, uns ehrlich zu befragen, ob wir nur simple Vergeltung wollen oder wirkliche und ehrliche Aufarbeitung mit Hilfe vieler Gespräche“.

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