: Zu Ostern vom Osten lernen
■ Auf den Spuren alter Kulturen in den neuen Bundesländern — Heute: Das Ei und die Sorben
»Die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbischen Kultur und der sorbischen Traditionen werden gewährleistet«, ist im Protokoll zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu lesen. Die Redaktion Berlin-Kultur stellt sich dieser historischen Aufgabe und veröffentlicht aus gegebenem Anlaß Auszüge aus dem im VEB Domowina- Verlag erschienenen epochalen Standardwerk »Bunte sorbische Ostereier« von Ernst Schmidt.
Schon frühzeitig entwickelte sich das Bedürfnis, Dinge, die im Dasein des Menschen eine besondere Rolle spielten, auf irgendeine Art und Weise aufzuwerten. So gehört auch das Schmücken von Eiern mit zu den ältesten Zeugnissen künstlerischer Gestaltung, denn im Ei sah man das Symbol für den Ursprung allen Lebens. Ihm wurden auch magische Kräfte zugeschrieben. Die einfachste und älteste Art, ein Ei zu schmücken, ist das bloße Färben. Belege dafür finden sich u.a. schon im alten China und in Ägypten. Auch bei den Frühlingsfesten der alten Perser wurden gefärbte Eier verschenkt. Verzierte Eier fand man bei Ausgrabungen in der VR Polen und in Südmähren.
Heute noch spielt das Ei im Brauchtum vieler Völker eine Rolle. Bei uns hat sich das verzierte Ei mit dem Osterfest verknüpft.
Künstlerisch gestaltete Ostereier sind — wie bereits angedeutet — keine spezifisch sorbische Besonderheit. Sie zählen zum Schatz jener Volkskunsttraditionen, denen wir in Europa immer wieder begegnen. Jedes Volk hat sie aber mit seiner eigenen Wesensart durchtränkt und sie so zu eigenwilligen Formen entwickelt. Mit Genugtuung dürfen wir feststellen, daß der Brauch des Verzierens von Ostereiern unter der sorbischen Bevölkerung noch fest verwurzelt ist.
Es ist eine Freude zuzuschauen, mit welcher Geschicklichkeit und Phantasie diese kleinen Kunstwerke gefertigt werden. Doch die reinste Freude empfinden wohl diejenigen, die selbst die Eier schmücken.
Überliefert und üblich sind in der Lausitz drei Volkskunsttechniken beim Schmücken der Ostereier: die Wachstechnik, die Kratztechnik, die Ätztechnik.
Allgemeines zum Schmücken der Eier
Die Eier müssen sauber und fettfrei sein. Gekochte Eier sind es in der Regel. Sollen rohe Eier gefärbt werden, emphielt es sich, diese mit Essig abzureiben. Für die Wachstechnik werden allgemein handelsübliche Eierfarben verwendet, die allerdings recht unterschiedlich in ihrer Ergiebigkeit sind. Stoffarben sind beständiger und lichtechter und deshalb für Eier, die lange Zeit aufbewahrt werden sollen, vorzuziehen. Als Naturfarbe ist nur noch der Absud von Zwiebelschalen (ca. 10 bis 30 Minuten gekocht) zu empfehlen, mit dem man gelbe bis braune Töne erhält. Die Farben werden intensiver und leuchtender als durch eine Beigabe von Essig.
Das saubere, unbeschädigte Ei läßt man etwa 30 Minuten kochen, wenn es aufbewahrt werden soll. So kann es sich unbegrenzt halten. In zunehmendem Maße — bedingt auch durch den fortschreitenden Funktionswandel des Brauches (Souvenirs) — werden bei der Wachstechnik rohe Eier bemalt und gefärbt und dann ausgeblasen. Mit Hilfe eines spitzen Gegenstandes wird die Schale dazu an den Spitzen durchstoßen und der Eiinhalt entfernt. Die entstandenen kleinen Öffnungen können später nach Bedarf mit Wachs wieder verschlossen werden.
Die Wachsreservetechnik:
Diese ist die älteste der drei genannten und die am meisten in der Lausitz verbreitete Technik. Sie entspricht der Batik in der Textilgestaltung. Bei der Beschaffung des notwendigen Arbeitsmaterials gibt es keine Schwierigkeiten. Es werden gebraucht:
—verschiedene, bis auf die Spitzen geschlissene (runde) Gänsefedern. Die Spitzen werden mit der Schere zu geometrischen Figuren geschnitten;
—Stecknadeln mit großer oder kleiner Glaskuppe, die in Holzstäbchen von etwa 10-12 cm Länge gesteckt werden;
—Ein zum rechten Winkel gebogener Eßlöffel, den man in eine große, halbierte, rohe Kartoffel bzw. in ein mit Sand gefülltes Glas steckt;
—eine Kerze, ein Illuminationslicht oder — und das ist besonders zu empfehlen — ein Petroleumlämpchen. Bei diesem läßt sich die Flamme ständig regulieren und dadurch das Rußen vermeiden;
—ein Gemisch von Bienen- und Kerzenwachs zu gleichen Teilen. Es haftet am besten;
—Farbtöpfe oder Konservengläser (die man nur hierfür verwendet) je nach der Anzahl der vorgesehenen Farben.
Die in die Löffelkelle gegebene Mischung von Wachs und Stearin wird über der Flamme erhitzt. Die Spitze des Federkiels taucht man in das heiße, aber nicht kochende Wachs und legt sie dann schnell auf das leicht angewärmte Ei. Das gleiche gilt für die Stecknadelkuppe, die für Punkte und Striche genommen wird. Die Kuppe muß erst heiß genug sein, bevor man mit ihr »malen« kann.
Anfänger zeichnen sich meist einige Hilfslinien oder -punkte auf, an denen sie dann mit dem Auftragen der Ornamente beginnen. Beim Arbeiten mit der Kuppe ist zu beachten, daß sich der Strich beim Malen verjüngt. Das Wachs wird auf der Eischale sogleich fest und erlaubt deshalb nur ein einmaliges schnelles Auftragen. Durch Reihung einzelner Formen entstehen Ornamente. Das so bemalte Ei wird nun mit Hilfe eines Löffels in die vorbereitete Farblösung gelegt, von der es völlig bedeckt sein muß. Die Lösung darf nur mäßig warm sein, da das Wachs sonst (schon bei 40 Grad) schmilzt und das Eiweiß gerinnt, wenn das Ei noch roh ist. Ein späteres Ausbalsen ist dann unmöglich. Eine zu kalte Lösung hingegen färbt nicht so gut. Nach dem Färben läßt man Ei auf einer Unterlage (Zellstoff, Lappen) von selbst trocknen oder wischt es auch ab. Einfarbige Eier beeindrucken sehr, wenn sie sauber verziert und kräftig gefärbt sind. Eine besondere Zierde sind jedoch mehrfarbige Eier. Dazu werden auf das bereits einmal verzierte und nur zart gefärbte Ei weitere Wachsornamente aufgetragen, wonach es in eine andere Farblösung gelegt wird. Dieser Vorgang kann mehrmals wiederholt werden. Man beginnt mit der hellsten Farbe und achtet darauf, daß die weiteren gut decken und miteinander harmonieren. Dazu bedarf es einer guten Farbkenntnis oder vorheriger Versuche mit Papierstreifen. Ist einmal die Farbe mißlungen (fleckig), so kann man dem dadurch abhelfen, daß man das Ei in eine Säurelösung (Essig) legt und dann mit einem Läppchen abwischt, bis die Schale wieder weiß ist, um erneut zu beginnen. Ähnlich kann man verfahren, wenn man recht viele kalte Farben erhalten will. Versierte Ostereiermaler haben dabei Erstaunliches erreicht.
Zum Schluß muß von den gefärbten und abgetrockneten Eiern das Wachs wieder entfernt werden. Man kann das Ei an einer Flamme langsam drehen und das schmelzende Wachs mit einem Läppchen oder Zellstoff wegwischen. Viele Eiermaler legen die Eier auf einer Zellstoffunterlage in die Backröhre oder auf eine erwärmte Eisenplatte und lassen so das Wachs abschmelzen. Zur Erhöhung des Glanzes kann man sie noch mit einer Speckschwarte einreiben.
Vereinzelt (Kreis Luckau) begegnen wir einer Variante der Wachstechnik. Bei ihr wird auf das Färben der Eier verzichtet, dafür wird dem heißen Wachs Farbe zugegeben. Man erhält so ein Ei mit farbigen Wachsornamenten, die reliefartig auf der Schale verbleiben. Hierzu kann man sehr gut vorher ausgeblasene Eier verwenden.
Die Kratz- oder Ritztechnik:
Für diese Technik benötigt man neben dem Farbtopf (oder mehreren) nur einen spitzen Gegenstand (Nadel, Nagel, kleines Messer). Gut eigenen sich spitz zugeschliffene Dreikantfeilen oder Spiralbohrer, weil sie sehr hart sind und sich nur langsam abnutzen.
Es empfiehlt sich, das Ei hart zu kochen, vor allem sollten es Anfänger tun. Eier mit Kalkspritzern sind für diese Technik ungeeignet. Das Ei wird kräftig gefärbt. Am zweckmäßigsten verwendet man Stoffarben, die sich auch beim oft stundenlangen Halten in der Hand nicht abgreifen.
Mit der Feile oder einem anderen Gegenstand werden Ornamente oder Motive in die gefärbte Eischale gekratzt. Am zweckmäßigsten wird an einem bestimmten Punkt begonnen, um den herum man dann die verschiedenen ornamentalen Formen, die am besten symmetrisch angeordnet werden, entwickelt. Bei dieser Technik fallen die Verzierungen filigranartig aus. Sie erinnern an die Blaudruckmuster sorbischer Volkstrachten, welchen die Ornamente oft entlehnt werden.
Durch nicht so kräftiges Aufdrücken beim Kratzen sind auch Farbnuancen möglich. Die Kratztechnik erfordert eine besonders ruhige, geschickte und sichere Hand und nimmt auch wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Vier bis sechs Stunden und mehr sind keine Seltenheit beim Verzieren eines Eies.
Die Ätztechnik:
Neben dem Farbtopf (Farbtöpfen) ist ein einfacher Federhalter mit einer spitzen, nicht zu weichen Stahlfeder erforderlich. Früher diente zum Ätzen ein Gänsefederkiel, wie er zum Schreiben üblich war und als Säure Sauerkrautsaft. Heute besorgt man sich verdünnte Salzsäure oder Salpetersäure (Scheidewasser). Dabei sind die gesetzlichen Vorschriften über die Anwendung von Säuren und Giften zu beachten. Beim Arbeiten mit Säuren ist ganz besondere Vorsicht geboten. Wegen ihrer Gefährlichkeit hat sich die Ätztechnik nicht so verbreitet wie die anderen Techniken. Das Ei sollte nicht so kräftig gefärbt werden, damit es sich leichter ätzen läßt. Mit der Stahlfeder oder mit dem Federkiel werden in dünnen Strichen Ornamente, Blumen, Symbole oder Sprüche auf das Ei gezeichnet. Nach mehreren Strichen sind die geätzten Stellen mit einem weichen Läppchen abzuwischen, damit die Zeichnung erhalten bleibt und die Säure nicht weiterfrißt. Die geätzten Stellen erscheinen dann weiß.
Schmuckelemente auf Ostereiern:
Auf den sorbischen Ostereiern finden sich alle drei Formen des Ornaments:
—das geometrische (als älteste Form);
—das stilisierte (Blumen, Pflanzen);
—das naturalistische (Pflanzen, Tiere.
Das Ornament hat die Aufgabe, die Form seines Dekorträgers, hier also des Eies, hervorzuheben, zu beleben, die ästhetische Wirkung zu steigern, seinen praktischen oder ideellen Wert zu erhöhen. Zu den Ausdrucksmitteln des Ornaments gehören die Prinzipien der Wiederholung (einfache und rhythmische Reihung), der Symmetrie, des Gleichgewichts, der Proportion und der organischen Einheit, kurz gesagt: alle Formen der Harmonie. Die Schmuckformen sollen eine Einheit mit ihrem Träger (dem Material) bilden. Deshalb ist anzustreben, jeweils bei einem Stilelement zu bleiben. Bei der Wachstechnik werden mit Vorliebe das Sonnenrad (als ältestes Symbol) oder Strahlenbündel, der Stern, das Dreieck (der sog. Wolfszahn) und der Punkt verwendet. Die Ornamente lassen sich bei einiger Phantasie derart unterschiedlich anordnen und variieren, daß kein Ei dem anderen gleicht.
Zierlicher sind die Ornamente auf den gekratzten und geätzten Eiern, wobei geometrische und stilisierte Pflanzenformen (Rauten und Rosetten) bevorzugt werden. Hier erscheint auch häufiger das Herz als Symbol der Liebe und der Freundschaft. Mitunter tragen die Eier auch kurze Inschriften wie z.B. »Wjesole jutry« (Frohe Ostern) und die entsprechende Jahreszahl.
Pflege des Brauches heute
Das geschmückte Ei spielte und spielt im Osterbrauchtum der Sorben als Patengeschenk, als Tanzgabe und beim Waleien eine besondere Rolle. Heute schenkt man verzierte Eier in zunehmendem Maße Familienangehörigen, Freunden und Bekannten zu Ostern und auch zu anderen Gelegenheiten. Kinder und Jugendliche verzieren Eier für ihre Freunde im In- und Ausland als Erinnerungsgeschenk, als Raumschmuck für Kindergärten, Klassenzimmer und Klubräume.
Nach altem Brauch kann man ausgeblasene Eier an einen Frühlingsstrauß in der Wohnung aufhängen. Wir pflegen diesen Brauch als einen Zweig der sozialistischen sorbischen Volkskultur, denn hierbei werden künstlerische Fähigkeiten und Fertigkeiten hinsichtlich der Anwendung der Ornamente und der Farben entwickelt. Das ästhetische Gefühl vervollkommnet sich und übt seinen Einfluß auf das gesamte Empfinden für das Schöne aus.
In der Tradition der sorbischen dörflich-bäuerlichen Bevölkerung spielte das Verzieren von Ostereiern eine besondere Rolle. So waren die »Ostereiermaler« überwiegend Angehörige dörflicher Schichten. Jedes Kind erhielt obligatorisch zu seinem jährlichen Patengeschenk einige bemalte Eier, so daß praktisch jeder Erwachsene zu Ostern mehr oder weniger Eier malen mußte. Außerdem taten es Jugendliche, um sich beim Ostertanz gegenseitig damit zu beschenken.
Diese Sitten sind in der Gegenwart zum Teil abgebaut und durch neue ersetzt worden. Seit einigen Jahrzehnten gibt es eigentlich keine soziale Abgrenzung in Hinsicht auf die Eiermaler mehr. Die sozialökonomische Struktur des Dorfes hat sich seit 1945 wesentlich verändert. Neben den Genossenschaftsbauern wohnen dort Angehörige der verschiedensten Berufe. Da »malt« heute auch der Bergmann, der Eisenbahner, der Lehrer, der Diplom-Chemiker, die Angestellte, um nur einige Berufe zu nennen. Aber auch in den Städten der Lausitz sind es von Jahr zu Jahr mehr Familien, die diesen Volksbrauch aus Freude an volkskünstlerischer Betätigung pflegen. In vielen Schulen des gemischtnationalen Gebietes der Bezirke Cottbus und Dresden wird das Verzieren von Ostereiern in den beschriebenen Techniken in den Unterricht für Kunsterziehung oder in die außerunterrichtliche Tätigkeit der Schüler sowie in das Programm der Pionierhäuser einbezogen. Unter vielen anderen erläuterte Anna Tillich, Trägerin des Staatspreises für künstlerisches Volksschaffen, Schülern und Jungen Pionieren das Verzieren sorbischer Ostereier. In den Kreisstellen für Unterrichtsmittel stehen Color-Schmalfilme über diese Techniken zur Verfügung.
Als eine besondere und bedeutende Maßnahme zur Förderung und Weiterentwicklung dieses sorbischen Volksbrauches ist der seit 1951 alljährlich vom Haus für sorbische Volkskunst in Bautzen veranstaltete Wettbewerb um das am schönsten verzierte Osterei zu nennen. Darüber hinaus gibt es Anregungen in vielen Ausstellungen sorbischer Volkskunst in der Lausitz und auch in anderen Gegenden der Deutschen Demokratischen Republik. Um dem gegenwärtigen Stand der guten Entwicklung des Wettbewerbes noch besser Rechnung tragen zu können, werden seit Ostern 1974 Preise für Erwachsene sowie für Jugendliche und Kinder gesondert ausgeschrieben.
Übergang zum Folklorismus:
Das verzierte Osterei ist — darauf wurde bereits verwiesen — schon seit langem aus seiner ursprünglichen Brauchtumssphäre herausgetreten. durch den ständig zunehmenden Tourismus steigt der Bedarf an typischen Volkskunsterzeugnissen als Souvenirs aus der Lausitz. Die bunten sorbischen Ostereier finden dabei besondere Aufmerksamkeit. Delegationen aus dem In- und Ausland werden sie gern als Geschenk überreicht.
Seit Jahren bieten der Staatliche Kunsthandel — Kunstgalerie Budyšin — in Bautzen sowie Verkaufsstellen des Kunstgewerbes in der Ober- und Niederlausitz zur Osterzeit auch verzierte sorbische Ostereier zum Verkauf an.
Die aussagekräftigen Ostereierornamente werden in zunehmendem Maße auch auf Gegenstände des täglichen Bedarfs übertragen (Kleidungsstücke, Raumtextilien, Keramik). Besonders in Zirkeln für künstlerische Textilgestaltung werden solche Ornamente schöpferisch umgesetzt.
In keramischen Werkstätten dekoriert man verschiedene Erzeugnisse unter weitgehender Beibehaltung Lausitzer Töpfertraditionen. Wir erleben hier, angeregt durch die Renaissance der Ostereiermalerei, eine künstlerisch-schöpferische Weiterentwicklung auf den verschiedensten Gebieten der angewandten Kunst.
Vom Waleien:
Das Waleien (walkowanje) ist ein sorbischer Osterbrauch, der heute noch in einigen Dörfern des Bezirkes Cottbus gepflegt wird und dem ursprünglich ein Fruchtbarkeitszauber zugrunde liegt. Man glaubte früher nämlich, durch das Kullern von Eiern über Wiese und Feld im Frühjahr Wachstum und Gedeihen der Saaten günstig beeinflussen zu können.
In den meisten Orten wird dazu eine kleine Grube mit abschüssiger Bahn ausgehoben, die bis 1,5 m breit und bis zu 3 m lang ist und am Ende des Gefälles eine Tiefe von etwa 30-40 cm hat.
In verschiedenen Gegenden der Niederlausitz trifft man auch eine andere Form der Waleie: eine mit viel Geschick errichtete Sandaufschüttung von verschiedener Form mit schiefer Ebene. Darauf sind oftmals — ebenfalls aus Sand — ornamentartige Hindernisse angebracht. Meist gab es mehrere »Waleien« in einem Ort. Solche »Waleien« dienten bis in die dreißiger Jahre z.T. auch Jugendlichen und Erwachsenen zur Geselligkeit, wie z.B. in den sog. Spielbergen in Lübben.
Die Spielregel: Der erste Spieler legt ein Ei in die Grube. Der nachfolgende Spieler muß versuchen, mit seinem in die Grube kullernden Ei das erste Ei zu treffen. Verfehlt er es, so bleibt auch sein Ei dort liegen und der nächste Mitspieler ist an der Reihe. Trifft er es, so darf er das getroffene Ei behalten und sein Ei wieder herausnehmen oder er bekommt — so ist es allgemein üblich — ein Geldstück oder ein Bonbon. [Igitt, Glücksspiel im Sozialismus. Und das wird auch noch so ausführlich beschrieben. d. säzzer] Außerdem darf er das Spiel solange fortsetzen, bis es ihm mißlingt. Da natürlich nicht alle Mitspieler treffen, sammeln sich oft mehrere Eier in der Grube an. Es kommt aber auch vor, daß ein Spieler mehrere Eier zugleich trifft, wofür er entsprechend honoriert wird. Wenn alle Ostereier der Mitspielenden in der Grube liegen, beginnt das Spiel von neuem. Um den Wettkampfeifer der Kinder zu erhöhen, stecken oftmals erwachsene Zuschauer eine Geldmünze in die Bahn, die sich derjenige nehmen darf, dessen Ei sie berührt.
Eine besondere Entwicklung hatte das früher weit bekannte »Eierschieben« am Protschenberg in Bautzen genommen. Das Bürgertum bereitete sich zu Ostern ein Vergnügen, indem es Apfelsinen, verschiedenes Gebäck und Leckereien den Steilhang zur Spree hinunterkullerte oder warf, wo überwiegend Kinder der ärmsten Schichten der Stadt versuchten, diese Almosen zu erhaschen. Dabei kam es oft zu Prügeleien der Kinder und zu Stürzen in das eiskalte Wasser.
Bemühungen in den fünfziger Jahren, diesen Brauch wieder zu beleben und mit neuem Inhalt zu füllen, schlugen fehl.
»Die kulturelle Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik nahm teilweise einen anderen Verlauf als in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht alle künstlerischen Aktivitäten in dem beitretenden Gebiet können in der bisherigen Form weitergeführt werden.« Aus der Denkschrift zum Einigungsvertrag.
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