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Geheime Staatsaktion Havelchausseeöffnung

■ Waldstraße schon am Gründonnerstag für den Autoverkehr freigegeben/ Aktion geheimgehalten/ Verkehrssenator Haase fürchtete Demonstrationen

Berlin. Mit einer Politposse endete am Gründonnerstag vorerst die jahrelange Auseinandersetzung um die Havelchaussee. In einer konspirativ anmutenden Aktion schraubte der Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) höchstselbst früh um 10 Uhr am südlichen Ende der Waldstraße die Durchfahrtsverbotsschilder für Autos ab. Die Wiedereröffnung war am letzten Dienstag vom Senat für den heutigen Samstag 11 Uhr angekündigt worden. Über den vorgezogenen Termin waren die Berliner Medien, als ob es sich um einen geheimen Staatsakt handelte, erst eine halbe Stunde vorher per »Fax-Eilmeldung« unterrichtet worden.

Die offizielle Sprachregelung zur Begründung des überfallartigen Vorgehens lieferte auf Nachfrage die Pressestelle des Verkehrssenators. »Im Hinblick auf die bevorstehenden Osterfeiertage« wolle man bereits jetzt den erholungsuchenden Berlinern und Gästen »die ungehinderte Zufahrt zu den attraktiven Ausflugsgebieten an der Havel« ermöglichen, schwindelte man um die Wahrheit herum. Vor laufenden Kameras des SFB mußte der Senator dann Farbe bekennen. Man hätte verhindern müssen, »daß am Ostersamstag Wasserwerfer an der Havelchaussee auffahren«, bekannte Haase, ganz Bewahrer von Recht und Ordnung. Logisch, daß am Gründonnerstag keine Demonstranten vor Ort waren. Die Fraktion Grüne/Bündnis 90 vermutet in einer Stellungnahme, daß dem Senator wohl inzwischen klargeworden sei, daß die Öffnung der Chaussee keine »bürgernahe Entscheidung« sei. Und die Grünen-Abgeordneten Schreyer und Cramer nutzen den Namen des Senators zu Polemik und empörten sich über die »hasenfüßige Aktion«.

Die Havelchaussee war am 5. April 1990 durch den rot-grünen Senat für den Autoverkehr gesperrt worden. Gegen die vom Senat der großen Koalition beschlossene Wiederfreigabe hatte die Umweltschutzorganisation BUND eine einstweilige Verfügung eingereicht, die das Verwaltungsgericht am Mittwoch zurückgewiesen hatte. Vor der »amtlichen Bekanntgabe« der Chausseeöffnung sei ein Bedürfnis nach »vorläufigem« Rechtsschutz zu verneinen, so das Gericht. Damit sei jedoch »keine Entscheidung in der Sache präjudiziert«, meinte BUND-Anwalt Klaus-Martin Groth, früher Staatssekretär der rot-grünen Umweltsenatorin Michaele Schreyer.

Die Berliner reagierten auf die Öffnung der Chaussee, wie es sich für ein Volk von Autofahrern gehört. Schon gestern schoben sie sich wieder, Stoßstange an Stoßstange, zwischen Wald und Wasser hindurch und atmeten wollüstig Abgase ein. Enttäuscht äußerte sich ein Radfahrer: »Ich hatte gehofft, daß sie geschlossen bleibt. Nun ja, es hat nicht sollen sein.« ger/thok

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