„An Asylanten verkaufen wir nichts“

Angriffe auf Asylsuchende in Ostdeutschland häufen sich/ Flucht in den Westen als einziger Ausweg  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Die Flüchtlingsfamilie Didac aus Rumänien wird den Ostersamstag des Jahres 1991 so schnell nicht vergessen: In Zwenkau bei Leipzig überfielen drei Motorradfahrer die vom Einkaufen in Leipzig zurückgekehrte Familie. Sie schlugen Frau Didac mit dem Kopf mehrfach gegen eine Hauswand, verletzten Herrn Didac und seinen jüngsten Sohn Sebastian mit Stiefeltritten. Die geschockte Familie verbarrikadierte sich danach eine Nacht lang in ihrer Unterkunft — einem notdürftig umgebauten Dachboden ohne Waschmöglichkeit. Mit dem ersten Bus verließen die Didacs ihre unwirtliche Zuflucht in Zwenkau und flüchteten nach Frankfurt am Main.

Doch am Ostersonntag standen die geschlagenen und gedemütigten Flüchtlinge vor der hessischen Gemeinschaftsunterkunft Schwalbach bei Frankfurt vor verschlossenem Tor: „Wir akzeptieren niemanden mehr, es sei denn, die Person ist halbtot.“ Das jedenfalls sei der „Tagesbefehl“ der Lagerleitung für das Wachpersonal der Gemeinschaftsunterkunft gewesen, erklärten der AStA der Universität Frankfurt und die „Linke Liste“, die sich seit dem Ostersonntag — zusammen mit dem Frankfurter Flüchtlingsbeirat — um die Familie Didac kümmern und eine Notunterkunft bereitstellten. Frau Didac wurde aufgrund ihrer erheblichen Kopfverletzungen stationär in einem Krankenhaus aufgenommen, und Sohn Sebastian mußte ambulant behandelt werden.

Dem Flüchtlingsbeirat und den StudentInnen berichtete Vater Didac von dem einwöchigen Martyrium der Familie in Zwenkau. Zusammen mit 20 anderen AsylbewerberInnen waren die Didacs vom Lager Schwalbach aus mit dem Bus in das ostdeutsche Spröda bei Delitzsch gefahren worden. Dort wurden die Flüchtlinge dann auf die Orte der Region verteilt. Die Didacs kamen nach Zwenkau, einem kleinen Marktflecken — ohne jede Betreuung durch die Kommunalverwaltung. Eine von Vater Didac im Bürgermeisteramt vorgetragene Bitte um Unterstützung sei vom Bürgermeister mit den Worten: „Wir wollen euch hier nicht haben!“ abgeschmettert worden. Und wenn die Familie Lebensmittel kaufen wollte, seien die Geschäfte immer „geschlossen“ gewesen: „An Asylanten verkaufen wir nichts!“ Nach dem brutalen Überfall der Motorradfahrer hatte die Familie dann beschlossen, Zwenkau sofort zu verlassen. Vater Didac: „Wir hatten nur noch nackte Angst.“

Der Frankfurter Flüchtlingsbeirat und der AStA/Linke Liste nehmen seit vier Wochen die eigentlichen Aufgaben von staatlichen Behörden und Wohlfahrtsorganisationen wahr und stellen den aus der Ex-DDR geflohenen Flüchtlingen eine Unterkunft und versorgen sie mit dem Notwendigsten. Die Helfer fordern jetzt von den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern Garantien für die Sicherheit von Asylsuchenden und die „Freizügigkeit der Bewegung“. Flüchtlinge seien keine Objekte der politischen Bildung für die Bevölkerung in den neuen Bundesländern, frei nach dem Motto: „Die müssen doch auch mal lernen, wie man mit Fremden umgeht.“ Daß die aus den FNL zurückkommenden AsylbewerberInnen jetzt in den Altbundesländern obdachlos werden und deshalb als „Illegale“ hier leben müssen, habe allerdings System: „Den Menschen aller Länder soll von vornherein der Gedanke ausgetrieben werden, die BRD sei ein Land, das Asyl — also Schutz und Hilfe — für Verfolgte gewähre.“