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Im Dienst der Menschheit

Die Gaben der Natur reichen dem Menschen schon lange nicht mehr. Überall sind Wissenschaftler dabei, das letzte aus Flora und Fauna herauszupressen. Dabei unterlaufen ihnen oft folgenschwere Fehler. Schon Mitte der 50er Jahre startete der deutsche Genetiker W. H. Kerr im Auftrag der brasilianischen Regierung Versuche, wilde Bienen aus Afrika mit der damals nur in Lateinamerika verbreiteten europäischen Imme zu kreuzen, auf daß die Tierchen im tropischen Klima an Produktivität gewännen. Einige der afrikanischen Bienen hatten jedoch keinen Bock auf Zwangspaarung und flüchteten. Mit einer Geschwindigkeit von rund 30 Kilometer pro Monat zogen sie nach Norden. Dabei vermehrten sie sich rasend schnell und machten ihrer europäischen Konkurrenz, die nur für die Honigproduktion gezüchtet worden war, aufgrund ihrer ungezähmten Aggressivität den Garaus, wann immer sie ihr begegneten. Ihre Angriffslust macht die kleinen Biester auch für Mensch und Vieh gefährlich. In den letzten vier Jahren haben diese Killerbienen in Mexiko rund 40 Menschen, meist Kinder, zu Tode gestochen und knapp 90 Stück Vieh erlegt. Bei einigen der getöteten Menschen wurden mehr als 100 Stiche gefunden.

In der Honigproduktion unterscheiden sich die Bienen aus Europa und Afrika kaum. Nur bei der Ausbeutung afrikanischer Bienenstöcke hapert es nach menschlicher Sicht. Da die Killerbienen sich so schnell vermehren, fressen sie den Honig selber auf, und Imker kommen nicht mehr ungestraft an die Waben. Das hat fatale Folgen. Mexiko, das mit einer Ausfuhr von jährlich 60.000 Tonnen zu den weltweit größten Exporteuren des süßen Sirups gehört, steckt schon in argen Schwierigkeiten. Nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums ging in einigen Gebieten die Produktion bereits um fast 40 Prozent zurück. Ein Weg zur Rettung der Honigproduktion besteht nach Ansicht der Experten, die für den Schlamassel verantwortlich sind, darin, die europäischen Königinnen in den Stöcken ständig auszuwechseln. Die Killerbienen machen sich nämlich breit, indem sie diese Königinnen abmurksen und durch afrikanische ersetzen.

In unseren Breiten braucht man sich bis jetzt noch keine Sorgen zu machen. Die tropischen Killer hassen unsere kalten Nächte wie die Pest. Doch es wird bestimmt nicht mehr lange dauern, bis ein Wissenschaftler ein paar von den Biestern so zurechtgebogen hat, daß sie sich auch bei uns austoben können. Karl Wegmann

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