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Durst nach Himmel und Bäumen

■ Bartold Asendorpf in der Galerie Bodo Niemann

»Die Großstadt ist ein Idealplatz zum Häufen jeglicher Dinge. Aber wehe dem, der dabei steckenbleibt. Er stirbt an den Mitteln der Kultur. Und ach, wieviele sterben daran. Sie ersticken an ihrer Kompliziertheit und wären auch durch die Kultur nicht mehr zu retten.« Mit diesem Stoßseufzer beschrieb der Maler Bartold Asendorpf 1911 seine Erfahrungen mit der expressionistischen Kunstszene Berlins, zu der er zwei Jahre zuvor, nach einem Studium in Weimar, gestoßen war. Schon sehnte er sich fort: »Und dann die Natur? Ich glaube, wer für diese nicht reif ist, ist es auch nicht für die Kultur. Beide Ringe muß man eben fassen. ... Der Kampf mit der Großstadt ist eine moralische und ästhetische Notwendigkeit. Aber ebenso notwendig ist es, fern von ihr das Aufgenommene und Gewonnene zweckmäßig zu verarbeiten. Dazu gesellt sich mein Durst nach Bäumen und Himmel, nach all der Innigkeit, die nur die Natur zu spenden vermag.«

Erst nach dem ersten Weltkrieg gelang Asendorpf mit seiner Frau, der Kunstgewerblerin Grete Steinmetz, die Übersiedlung nach Bad Berka bei Weimar. Seine Arbeit als Kunsterzieher und in der Werkstatt seiner Frau nahm den größten Teil seiner Zeit und Kraft in Anspruch; trotzdem entwickelte er eine spontane Handschrift, um mit reduzierten Zeichen den Text der Natur zu erfassen. Aus der Knappheit an Zeit und an Materialien destillierte er einen eigenen, fast monochromen Stil mit schwarzer Tusche und weißer Kreide, in kleinen Formaten auf dunklem Karton. Er schrieb die niedergeduckten Bäume in den Winterwind, stach mit dürren Ästen und trocknen Halmen durch trübe Luft, ließ Nebelschwaden über dem Moor aufsteigen, kleckste Nässe auf die Rillen des zerfurchten Feldes - stimmungsvoll, doch ohne Pathos. Hatte er Farben, dann knetete er sie wie ein Relief, als gälte es dem Tastsinn eine Erinnerung an Erdenkruste und Baumrinde zu verschaffen. Seine Landschaften sind weder klare Sehnsuchts-bilder romantischer Ferne noch kultivierte er die sentimentalen Ecken des Spaziergängers. Seine Natur ist windzerzaust, naßgeregnet, aufgewühlt. Seine Bilder nehmen poetische Skripturen vorweg und weisen auf eine Malerei voraus, die die Chemie der Elemente und die kreativen Energien als eigene produktive Quelle der Kunst nutzt.

1930 klagte Asendorpf über seine materielle und psychische Notlage: »Daß wir einfach zum Tode verurteilt sind, denn die Thüringer Sparmaßnahmen sind so durchgreifend, daß weder Stadt noch Staat einen Pfennig für uns übrig hat, von Privaten ganz zu schweigen. Für mich kommt noch erschwerend hinzu, daß meine ganze Arbeit spröde ist und man Zeit braucht, sich hineinzusehen. ... Wir sind restlos proletarisiert und das würgt mich bis in die Kehle. ... Ach, ich war jetzt vierzehn Tage so deprimiert, daß es bis zum Selbstmord nur ein ganz kleines Schrittchen war. ... So sieht die Kunst von der Rückseite aus.«

Asendorpf, dem die nationalsozialistische Planung von Autobahnen und Fliegerlagern als Naturzerstörung aufstieß, kritisierte deren »aufgeplusterte Monumentalität« in der Kunst und legte sich mit der Reichskulturkammer an, die seine kleinen Bilder und atmosphärischen Skizzen als »minderwertig« diffamierte. Ihr Ausstellungsverbot verstärkte seine Isolation. 1944 wurde er zum zweitenmal eingezogen; 1946 starb er in Buchenwald, von den sowjetischen Besatzern unter falschem Verdacht verhaftet. Sein Nachlaß, aus dem auch die Galerie Niemann ihre Ausstellung bestreitet, blieb in der DDR lange unbeachtet und gelangte erst im letzten Jahrzehnt in die Verwaltung einer Galerie in Schweinfurt. Seitdem wird seine Malerei als Andeutung von Informel, Actionmalerei und scripturalen Chiffren gewürdigt. Katrin Bettina Müller

bis 27. April, Knesebeckstr. 30, 1-12, Di-Fr 12-18, Sa 11-14 Uhr

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