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„Wenn Frau will, steht alles still“

■ Schweizer Frauen bereiten eintägigen Generalstreik gegen verfassungswidrige Benachteiligung vor

Genf (taz) — Die Schweizer Frauen planen den Aufstand gegen ihre verfassungswidrige Benachteiligung in der eidgenössischen Gesellschaft: Am 14. Juni wollen sie in den Generalstreik treten. Aufgerufen hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund, dem rund 55.000 Frauen angehören. „Wir haben es satt, uns immer den Regeln zu unterwerfen, die die Männer für uns aufgestellt haben“, heißt es in seinem Appell. Weil das verfassungsmäßige Gleichheitsprinzip von Behörden und Arbeitgebern fortwährend verletzt werde, halten die Frauen einen landesweiten Streik für legitim. Beteiligen wollen sich Frauen aus allen politischen Lagern. Geplant sind auch Frauenpicknicks auf öffentlichen Plätzen; die Männer müssen sich dann zumindest für einen Tag selber um das eigene leibliche Wohl und das ihrer Kinder kümmern.

Am 14. Juni 1981 wurde durch Volksabstimmung und durch Zustimmung der beiden Bundeskammern die verfassungsmäßige Gleichstellung von Mann und Frau beschlossen. Aber noch immer hapert es mit den gleichen Rechten und Pflichten in Familie und Beruf, noch immer verdienen Arbeitnehmerinnen im Schnitt 32,3 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Selbst in ähnlichen Berufspositionen beträgt die Einkommensdifferenz im Schnitt immer noch 20 Prozent. Nach wie vor sind Frauen bei den Sozialversicherungen die Geprellten und deshalb auch am häufigsten von der neuen Armut betroffen, die inzwischen auch die europäische Wohlstandsinsel Schweiz erreicht hat. Und auch im Haushalt sind die Schweizer Männer häufig Paschas, während in der hohen Politik und Wirtschaft fast keine Frauen auftauchen. Nur 14 Prozent der Berner Parlamentsabgeordneten sind Frauen, und in der jetzt 150jährigen Geschichte des modernen Bundesstaates war das weibliche Geschlecht lediglich zwischen 1984 und 1988 zweimal kurzzeitig durch eine Ministerin in der Regierung vertreten. Ähnlich sieht es im Bildungsbereich aus. Je höher die Ausbildungsstufe, desto weniger Frauen sind vertreten.

„Wenn frau will, steht alles still“. Dieser Slogan soll das Hauptziel des eintägigen Frauenstreikes verdeutlichen, sagt Streikkoordinatorin Elfie Schöpf: nämlich „einmal die unentbehrliche Rolle der Frau sichtbar und spürbar zu machen“. Den Gewerkschaftsmännern wäre ein „Frauenaktionstag“ am 14. Juni lieber gewesen, weil sie vom Begriff „Streik“ eine Gefährdung des in der Schweiz so hoch geschätzten Arbeitsfriedens befürchten.

Helen Issler, Leiterin der Redaktion 'Schweiz aktuell‘ beim Deutsch- schweizer Fernsehen, will mitstreiken — „aus Solidarität mit all jenen, die ihre gleichen Rechte erst auf dem Papier haben“. Weil am 14.Juni „auch die Frauen, PartnerInnen und Mütter“ der männlichen Kollegen streiken würden, müßten diese „nicht nur allein über den Streiktag und andere Aktualitäten berichten, sondern neben der Arbeit in der Redaktion auch noch zahlreiche Kinder hüten“. Die Nationalrätin und Leiterin der Zürcher Stabsstelle für Frauenfragen Monika Stocker will dafür sorgen, daß „keine Frau Schaden erleidet durch männliche Drohgebärden und Einschüchterungsversuche vor oder nach dem 14. Juni“. azu

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