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Borussia Dortmunds stiller Abgang

Borussia Dortmund — 1. FC Köln 1:2/ Das Ende der Dortmunder UEFA-Cup-Hoffnungen  ■ Von Christoph Biermann

Dortmund (taz) — So ein richtiger Fan will mein Freund Fred eigentlich nicht sein. Vorgeblich sachlich und emotionslos kommentiert er die Spiele von Borussia Dortmund und nie würde er auf die Idee kommen, „wir“ zu sagen, wenn es um den BVB geht. Aber in den letzten Wochen hat sich doch ein Unterton bei ihm eingeschlichen, wie ihn alle verletzten Liebhaber haben. Erstaunlich weitschweifig wurden seine Monologe auf einmal und gerieten immer mehr zu rechten Klageliedern. Jedesmal, wenn er aus dem Westfalenstadion zurückkehrte, brummelte er übellaunig in den Telefonhörer oder über den Kuchenteller.

Zwei magere Siege in zehn Heimspielen, der letzte vor fast sechs Monaten, hatte es für Borussia Dortmund gegeben. Da vermochte Fred auch die zweitbeste Auswärtsbilanz der Liga nicht mehr aufzuheitern. Und immer mehr geriet ein Mann in den Mittelpunkt seiner Reden: Horst Köppel. Über sieben Millionen hätte der zur Verfügung gestellt bekommen, um den Weggang von Andy Möller nach Frankfurt auszugleichen, und nur Nieten hätte er gezogen. Poschner und Franck seien doch kaum mehr als Durchschnitt und Povlsen sei zwar gut, aber keinesfalls der dringend benötigte Torjäger. Und im Jahr davor seien die Millionen für Schulz und Wegmann doch auch schon zum Fenster hinausgeworfen gewesen. Außerdem könne er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Mannschaft still und heimlich gegen ihren Trainer spielen würde.

Daß es für Borussia Dortmund im elften Heimspiel ganz klar um die letzte Chance gehen würde, das sagte Fred noch zwei Stunden vor dem Spiel. Damit befand er sich endlich einmal im Konsens mit der Borussia. Manager Meier hatte sogar vor dem Spiel eine neuartige Prämie für die Zuschauer ausgelobt. Sollte sich Borussia Dortmund für den UEFA-Cup qualifizieren, würden zum Spiel der ersten Runde als Treuebonus die Eintrittspreise halbiert. Präsident Niebaum stellte sich noch einmal hinter seinen nicht nur von Fred gescholtenen Trainer und die Spieler versprachen natürlich ihr Bestes. Endlich waren auch wieder Michael Zorc und Frank Mill dabei, um an einer ähnlichen Wiederauferstehung zu basteln, wie sie der 1. FC Köln durch die Rückkehr von Pièrre Littbarski kürzlich erlebt hat. Und noch einmal waren fast 45.000 Zuschauer ins Westfalenstadion gekommen.

Am Ende war aber alles nur Leiden. Erschüttert hockten die Schwarzgelben auf dem Rasen des Westfalenstadions, stumm schlichen die Besucher von ihren Plätzen. Nur die Südtribüne feierte. Sie applaudierte ihrer Mannschaft zu einer Leistung, die sicherlich zu den besseren im heimischen Stadion gehörte. Unermüdlich hatte sie das Tor von Bodo Illgner berannt, ein Dutzend guter und bester Chancen herausgespielt und waren doch unbelohnt geblieben. Da war nicht nur der Kopfball von Schulz an die Latte oder die Rettung von Rudy fünfzehn Sekunden vor dem Abpfiff, der noch so eben den Ball von der Linie schlug. Aber mit jeder vergebenen Chance und jeder Minute, die es dem Abpfiff entgegenging, spürte man deutlich, daß der große Bogen des Glücks Borussia verlassen hat.

Es wäre verwegen, von einer klugen Defensivtaktik des 1. FC Köln zu sprechen. Sie hatten einfach Glück und Borussia hatte Pech. Oder, wie es Manager Meier ausdrückte: „Wir hatten heute keinen Papst in der Tasche wie die Kölner.“ Aber das machte alles nur noch schlimmer. Der von Banach abgefälschte Schuß und ein toller Konter über Rudy und Greiner, den wiederum Banach abschloß, reichten dem FC. Der Anschlußtreffer von Borussia kam nur durch einen fragwürdigen Elfmeter zustande, den Rummenigge verwandelte.

Vielleicht spürten die Spieler auch, daß etwas zu Ende gegangen war, als sie dort auf dem Rasen hockten und ihnen die Südkurve noch einmal zujubelte. Im nächsten Jahr wird es nicht nach Anderlecht, Genua oder Glasgow gehen. Und ein goldenes Zeitalter scheint bei Borussia zu Ende zu gehen: der Pokalsieg 1989 in Berlin, die Spiele im Europapokal und die Ära Köppel, der länger bei Borussia Trainer war als alle anderen vor ihm.

Nach dem Spiel wirkte Horst Köppel ganz müde und abgespannt. Er bedankte sich bei den Zuschauern im Stadion für die Unterstützung, und es klang wie ein Schlußwort.

Mein Freund Fred war nach dem Spiel nicht zu erreichen.

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