: Demonstrationen gegen Völkermord
■ Genscher: Saddam muß vor internationalen Gerichtshof/ Hilfslieferungen in die Türkei und den Iran verstärkt/ Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Tourismusboykott der Türkei
Bonn (afp/dpa/taz) — Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hat gefordert, den irakischen Diktator Saddam Hussein wegen Verletzung von Völkerrecht und Menschenrechten vor einen internationalen Gerichtshof zu stellen. Alle drei Tatbestände der Nürnberger Prozesse — Angriffskrieg, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit — träfen auf seine Person zu, sagte Genscher in Daaden im Westerwald. Gleichzeitig forderte er die UNO auf, eine humanitäre Hilfsaktion für die kurdischen Flüchtlinge zu beschließen. Am Freitag wird Genscher in Ankara erwartet.
Bundesarbeitsminister Norbert Blüm flog am Samstag mit einer Bundeswehrmaschine in das türkisch- irakische Flüchtlingsgebiet. Über eine Luftbrücke aus der Osttürkei werden von nächster Woche an sechs Transporthubschrauber der Bundeswehr Versorgungsgüter zu den kurdischen Flüchtlingslagern bringen. Von Montag an werden täglich zwei Transall von Köln-Bonn und Ahlhorn nach Batman eingesetzt. In den Iran sollen täglich drei Hilfsflüge starten.
Rund 10.000 Menschen haben am Wochenende in mehreren deutschen Städten gegen den „Völkermord am kurdischen Volk“ demonstriert. In Frankfurt gingen am Samstag über 4.000 Menschen auf die Straße. Insgesamt rund 1.200 Demonstranten beteiligten sich an Protestmärschen in Göttingen und Osnabrück. Jeweils rund 1.000 Menschen protestierten in München und Nürnberg.
Bei der zentralen Demonstration in Frankfurt am Main erklärte eine Sprecherin der Organisation „medico international“, es sei „zynische Menschenverachtung“, daß die Arbeit der Hilfskomitees im Flüchtlingsgebiet von der türkischen Regierung und dem türkischen Militär behindert werde. Die Türkei wurde aufgefordert, ihre Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen.
Die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker rief gestern zu einem Tourismusboykott gegen die Türkei auf. In der nächsten Woche sollen Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen vor Reisebüros Kunden auf den Boykott aufmerksam machen.
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